Hilfe für Mädchen in Not

■ Das Mädchenhaus feiert sein vierjähriges Bestehen

Mädchen und junge Frauen, die von zu Hause weglaufen, haben viele Gründe. Sie können Streit mit ihren Eltern haben, weil sie sich nicht verstanden fühlen, oder sie haben sexuelle Gewalt erfahren. Vielleicht sind sie aber auch schwanger oder wollen ganz einfach ein neues Leben anfangen. Um Mädchen in Krisensituationen kurzfristig zu unterstützen, wurde von Sozialarbeiterinnen und Diplom-Pädagoginnen das Mädchenhaus gegründet, das jetzt seinen vierten Geburtstag feierte.

Die einzige feministische, autonome Zuflucht im Berliner Raum kann bis zu zehn Mädchen im Alter von 14 bis 21 Jahren für höchstens drei Monate aufnehmen. Der Aufenthalt erfordert keinen bürokratischen Aufwand und taucht in keiner Akte auf. Ermöglicht wird das über die sogenannte Pauschalfinanzierung, das heißt, daß die Senatsjugendverwaltung pro Tag 20 Mark für den Unterhalt jeder Bewohnerin zahlt. Das Jugendamt muß nicht eingeschaltet werden. Lediglich eine Einverständniserklärung der Eltern bei Minderjährigen ist nötig (bei akut bedrohten oder schon von Eltern gesuchten Mädchen übernimmt das dann allerdings das Jugendamt). Doch das sei, so die Mitarbeiterin Gertraude Wiederstein, meistens kein Problem. „Oft sind die Eltern sogar ganz froh darüber, daß die Tochter weg ist und einen Platz zum Schlafen hat“, erzählt die Diplompädagogin.

Die Betreuerinnen des Mädchenhauses, dessen Adresse aus Schutzgründen anonym ist, versuchen in täglichen Beratungsgesprächen, die Jugendlichen zu stabilisieren und mit ihnen zusammen Perspektiven für ihr Leben nach dem Mädchenhaus-Aufenthalt zu entwickeln. Das kann die Vermittlung in eine betreute Wohngemeinschaft, aber auch die Rückkehr ins Elternhaus sein. Wegen der relativ kurzen Verweildauer können die Mitarbeiterinnen des Mädchenhauses natürlich nur begrenzt helfen. Die Mädchen beispielsweise auf Ämter oder Gerichte zu begleiten, ist wegen des sehr dürftigen Personalschlüssels (im Moment sind es 5,5 volle Stellen, zwei wurden bereits ein Jahr nach der Eröffnung gestrichen) fast unmöglich geworden.

Trotz des sehr begrenzten Angebots, das das Mädchenhaus- Team anbieten kann, sei es aber immer wieder erstaunlich, wie schnell die Hilfesuchenden den scheinbar „unüberwindlich hohen Berg an Problemen, den sie mit sich herumtragen“, versuchen zu überwinden. Dabei helfe auch, so Gertraude Wiederstein, der klar strukturierte Alltag im Mädchenhaus. Gehen die Mädchen nicht in die Schule, so müssen sie trotzdem um acht Uhr aufstehen. Einmal in der Woche muß geputzt und für alle gekocht werden. Auch das tägliche gemeinsame Abendessen ist Pflicht, und bei vielen ist dies sogar das Ereignis, das sie „am meisten vermissen“. Das jedenfalls beteuern einige, die sich nach ihrem Aufenthalt beim Mädchenhaus melden, um von ihren Erfahrungen „draußen“ zu berichten.

Wegen der knappen Mittel – das Mädchenhaus bekommt von der Jugendverwaltung pro Jahr 71.100 Mark für Miete, Gehälter und Unterbringung – fällt eine Nachversorgung flach. Doch der Kontakt zwischen Ehemaligen und Mitarbeiterinnen sei häufig noch „sehr eng“, sagt Gertraude Wiederstein. Für die meisten sei die Zeit im Mädchenhaus „sehr wichtig“ gewesen, denn dort konnten sie lernen, daß es „auch anders geht“. Julia Naumann

Das autonome Mädchenhaus braucht dringend Unterstützung: Spendenkonto 305 2901, Bank für Sozialwirtschaft BLZ 100 205 00