„... wird er uns Mitteilung machen“

■ Eine Stasi-Akte enthält Aussagen Stefan Heyms über den 1958 aus der DDR geflohenen Altkommunisten Heinz Brandt

Berlins Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) ist kein Freund von Schnelligkeit. Um so frappanter ist das Tempo, mit dem er auf „einen Vorgang, u.a. betreffend den Bundestagsabgeordneten Heym“, reagierte, über den ihn am Dienstag um 13.30 Uhr sein Polizeipräsident Hagen Saberschinsky informierte. Über Innenminister Kanther gelangte das Schreiben geradezu blitzartig zu Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Der war der Inhalt am Mittwoch abend Anlaß zu intensiven interfraktionellen Beratungen. Danach forderte sie Stefan Heym auf, zu überlegen, auf seine Rede als Alterspräsident zu verzichten. Das tat er nicht, wie wir wissen.

Anlaß für Süssmuths Aufforderung waren Erkenntnisse der Gauck-Behörde über Kontakte, die Heym 1958 zur Stasi gehabt hat. Auf diese Erkenntnisse war die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) zufällig bei ihrem „Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche des MfS wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung zum Nachteil Heinz Brandt“ gestoßen.

Eine dreieinhalb Seiten lange Aktennotiz der Hauptabteilung V/1 des Staatssicherheitsdienstes vom 17. 10. 1958 über ein Gespräch mit Heym in dessen Wohnung am 16. 10. 1958 liegt der taz als Kopie vor. Sie wurde im MfS-Archiv der Gauck-Behörde als Teil des Operativen Vorgangs „Rüssel“ gefunden.

Heym hatte am 9.10.1958 an einen Karl Heine, Berlin-Lichtenberg, geschrieben: „Lieber Kollege Heine, in der Beilage sende ich Ihnen ein vervielfältigtes Schreiben, auf dem mein Vorname handschriftlich eingesetzt ist [...]. Wie Sie aus Absatz 1 des Schreibens ersehen, versucht Brandt, meine Sympathie zu erringen und mich gleichzeitig in seine Angelegenheit zu verwickeln. Die Technik ist bekannt, sie riecht nach Provokation. Sollte Ihnen die Sache wichtig genug erscheinen, bin ich gerne bereit, über die Begegnungen, die ich mit Brandt hatte, und über das, was ich von ihm wußte, Auskunft zu geben. Mit freundlichen Grüßen Ihr ergebener Stefan Heym“

Heine, der Stasi-Offizier war, nahm nach der Aktennotiz an der Besprechung in Heyms Wohnung teil. Heym schilderte danach mehrere Treffen mit Brandt. „1954 hat Heym den Brandt angesprochen, um sich von ihm Einzelheiten sagen zu lassen, die er für sein Buch, welches sich mit den Vorgängen am 17. Juni 1953 befaßt, benötigte“, heißt es etwa. „Bei diesen Besuchen stellte Heym fest, daß Brandt mit der Politik von Partei und Regierung unzufrieden ist.“ Weiter wird festgehalten: „Sobald er von Brandt etwas hört, wird er uns Mitteilung machen.“ Nach der Notiz machte er auch folgenden Vorschlag: „Da er über einige Probleme der Feindtätigkeit gegen die DDR schreiben möchte, möchte er einige Unterlagen vom MfS haben, ohne dabei unsere Arbeit zu gefährden.“

Die Stasi interessierte sich für Brandt, weil dieser kurz zuvor in den Westen geflohen war. Brandt, der als KPD-Mitglied in Auschwitz inhaftiert war, hatte nach dem Krieg die Stelle eines Bezirkssekretärs der SED inne. Als er während des Aufstandes vom 17. Juni 1953 das Regime kritisierte, wurde er seiner Ämter enthoben. Im Westen arbeitete er bei der IG Metall. 1961 wurde er nach Ost-Berlin entführt und zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt. Vor wenigen Wochen wurde der ehemalige IG-Metall- Vorständler Heinz Dürrbeck wegen des Verdachts der Teilnahme an dieser Freiheitsberaubung verhaftet.

Heym, der gestern die Unterlagen einsah, erklärte, er sei seinerzeit vom Ehemann seiner Sekretärin, der sich als Kriminalpolizist ausgegeben habe, aufgesucht worden und zu seinen früheren Kontakten zu Brandt befragt worden. Daß sein Besucher ein Stasi-Mann gewesen sei, habe er bislang nicht gewußt.

Für heute hat Heym eine Stellungnahme zu dem Vorgang angekündigt. taz/dpa