Die Hälfte aller Ämter für Frauen

■ Bundesfrauenministerin Angela Merkel (CDU) zur Quote in ihrer Partei und der Nichtakzeptanz der Union bei jungen Wählerinnen

taz: Frau Merkel, Sie haben in einem Interview einmal gesagt, Quoten seien „nicht tauglich“ für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Warum?

Angela Merkel: Ich habe immer gesagt, daß ich die starre Quote nicht will. Aus meiner Sicht verändert sie nicht die Geisteshaltung, sondern ist ein formalisiertes Verfahren. Eigentlich sollte aus einem natürlichen Prozeß heraus der Frauenanteil steigen. Natürlich weiß ich, daß der Frauenanteil mit der Quote mit höherer Wahrscheinlichkeit steigt. Dennoch widerspricht die Quote meiner Auffassung von freiwilligem menschlichem Handeln. Es bedarf aber, und das ist auch meine Erfahrung, erheblichen Drucks, um den Frauenanteil in der CDU zu erhöhen. Und ich muß neidlos anerkennen, daß die Parteien, die sich für die Quote entschlossen haben, bei der Repräsentanz von Frauen weiter sind als wir. Aber auch in der CDU hat sich manches getan. Zwar nicht im Bundestag, das ist die Katastrophe. Aber das Saarland hat jetzt einen Landtag, in dem Frauen bei der CDU zu 40 Prozent vertreten sind, in Schleswig-Holstein sind es 30 Prozent.

Nun wird innerhalb der CDU eine Art Quote, ein sogenanntes „Quorum“ diskutiert.

In unserer Partei geht es einmal um die Erhöhung der Mandate. Jeder dritte Listenplatz soll durch eine Frau besetzt werden. Diesem Vorschlag stimme ich vorbehaltlos zu. Allerdings muß man dabei im Auge behalten, daß 176 von den CDU-Abgeordneten über ein Direktmandat in den Bundestag gekommen sind und nur 68 über einen Listenplatz. Bei der SPD ist das fast umgekehrt, und die Grünen sind nur über Listenplätze vertreten. Das führt bei diesen Parteien dazu, daß auch jede zweite oder dritte Bundestagsabgeordnete eine Frau ist.

Bei uns führt das mitnichten dazu. Von den 176 Direktkandidaten der CDU sind nur 19 Frauen. Das heißt, man müßte bei uns darauf hinwirken, daß Frauen auch Direktmandate bekommen. Doch das läßt sich durch die Quote nicht erzwingen. Ich bin dafür, daß wir in unser Statut schreiben, Frauen sollen ein Drittel der Wahlkreise erhalten. Aber Sie können durch kein Verfahren herbeizaubern, daß diese Frauen dann auch gewählt werden.

Außerdem soll das Wahlverfahren für parteiinterne Ämter der CDU eine Art quotierte Wahl festschreiben. Dieses Quorum sieht vor, daß auf dem Stimmzettel ein Drittel der Kreuzchen bei Frauen abgegeben werden müssen, ansonsten ist der Wahlzettel ungültig.

Da bin ich skeptisch. Mit einem Quorum soll sichergestellt werden, daß Frauen ein Drittel aller Ämter bekommen. Ein Quorum ist meiner Meinung nach eine Beschränkung der Wahlfreiheit. Ich denke, man sollte es zuerst einmal mit einer Vorschrift versuchen, die festlegt, ein Drittel aller Kandidaten sollten Frauen sein, ansonsten kann die Wahl nicht beginnen. Oder es muß schriftlich und mündlich begründet werden, warum man die Frauen nicht gefunden hat. Ich bin der Meinung, wenn Frauen als Kandidatinnen zur Verfügung stehen, dann werden sie auch gewählt.

Wäre es nicht auch für Sie einfacher, wenn mehr Frauen höhere Ämter einnehmen würden? Sie sind innerhalb des fünfköpfigen Parteivorstands die einzige Stellvertreterin neben vier Männern.

Natürlich brauchen wir mehr Frauen in Spitzenpositionen. Das kann man durch das Quorum allein aber nicht erreichen. Insgesamt müßten Frauen sowieso die Hälfte aller Ämter innehaben.

Es geht aber auch um die CDU- Wählerschaft. Immerhin haben Wahlanalysen ergeben, daß junge Frauen kaum noch zum Wählerinnenpotential der CDU gehören.

Ich glaube, daß viele junge Frauen uns nicht wählen, hat nicht damit zu tun, daß wir zuwenig Frauen haben, sondern daß wir letztlich in vielen Fragen, die junge Frauen heute im Alltag beschäftigen, eine Partei sind, die sich doch sehr schwer tut. Wie denkt die CDU beispielsweise über die Pille? Wie kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingen? Selbst in der Frauenunion werden immer noch harte Kämpfe ausgefochten, wenn es um die Frage geht, wer die besseren Mütter sind. Ob nicht die, die sich nur um die Kinder kümmern, die besseren sind? Vereinfacht gesagt, ums Kinderkriegen kümmern sich alle in der CDU, ums Kinderhaben kümmern sich neben den Familienpolitikern nur wenige. Interview: Karin Flothmann