Gespräch über den abwesenden Herrn Brandt im Hause Heym

■ Heym erklärt seinen Stasi-Kontakt von 1958

Berlin (taz) – Stefan Heym hat gestern die Vorwürfe einer Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR zurückgewiesen. Heym, der am Donnerstag als Alterspräsident die Legislaturperiode des Bundestages eröffnet hatte, war in einem tags zuvor bekanntgewordenen Bericht der Berliner „Zentralen Ermittlungsgruppe Regierungs- und Vereinigungskriminalität“ (ZERV) beschuldigt worden, sich 1958 an die Stasi gewendet und Informationen über den nach West-Berlin geflüchteten Gewerkschafter Heinz Brandt angeboten zu haben. PDS-Bundestagsgruppenchef Gregor Gysi sprach von einer gezielten „Kampagne“, mit der die Rede Heyms in letzter Minute verhindert werden sollte. Die ZERV war auf Heym gestoßen, als sie gegen die Stasi- Mitarbeiter ermittelte, die 1961 für die Entführung Brandts nach Ost-Berlin verantwortlich waren. Dabei fand die ZERV auch ein Schreiben Heyms, in dem er anbot, über seine Kontakte mit dem Gewerkschafter Heinz Brandt dem MfS berichten zu wollen. Stefan Heym wiederholte dazu gestern, er habe seinerzeit nicht gewußt, daß es sich bei dem Adressaten seines Briefes, Karl Heine, um einen Stasi- Mann handelte. Er habe ihn kennengelernt als Ehemann seiner Sekretärin, und er sei ihm als Polizist vorgestellt worden.

Wenige Wochen nach der Flucht von Brandt, schilderte Heym gestern die Ereignisse von vor über 35 Jahren, habe er einen dubiosen Brief erhalten, ein offensichtlich vervielfältigtes Schreiben, in das sein Name handschriftlich eingetragen war. Darin habe Brandt offeriert, über die Motive seiner Flucht Auskunft zu geben. Da er an der Echtheit des Schreibens gezweifelt habe und eine gegen ihn gerichtetet „Provokation“ der Staatsorgane befürchten mußte, habe er sich an den „Polizisten“ Heine gewandt. In seinem Haus in Grünau sei es zu einem Treffen mit Heine und einem zweiten Mann gekommen, den er ebenfalls als Kriminalbeamten angesehen habe. Wolfgang Gast

Tagesthema Seite 3