Dusel, Glück und blaue Hemden

■ Die Erfolgsserie des FC St. Pauli hält auch beim 2:2 in Köln

In Umkehrung einer Weisheit aus der Fußballphilosophie der legendären Kobra Jürgen Wegmann darf sich der FC St. Pauli in diesen Tagen über die Zuverlässigkeit des Schicksals freuen: Erst haben sie Dusel und dann kommt Glück dazu. Wie schon vor Wochenfrist in Berlin (1:1) war auch gestern nachmittag im Kölner Südstadion der Punktgewinn beim 2:2 „natürlich wichtig“ und stimmte Pauli-Trainer Uli Maslo „zufrieden“, während das Remis die Heimelf „zu schlecht wegkommen“ ließ (Fortuna-Coach Linßen).

Der auch objektiv unverdiente Ausgleich fiel im vorletzten Sturmlauf der Hamburger und drei Minuten vor Schluß, als diese nur noch zu zehnt waren, weil Oliver Schweißing nach einer Schwalbe von Roy Präger in der 75. Minute gelb-rot gesehen hatte. Der eingewechselte Andreas Mayer schoß den Ball an allen Freunden vorbei und einem unglücklichen Fortunen derart in die Beine, daß Kölns Interimskeeper Walter Junghans der Bogenlampe nur noch nachschauen konnte.

Damit war das Glück längst nicht verbraucht. In einer Partie, die sich so frei von taktischen Devisen anließ, als hätten sich zwei Wald- und Wiesenmannschaften spontan zum Sonntagskick getroffen, war der Kölner Offensivdrang anfangs so bedenklich wie vom Pech begleitet. Das durchgehend eher ungestüme Treiben beider Teams war im übrigen auf den allgemeinen Spielernotstand zurückzuführen. Bei den Fortunen fehlt gleich ein halbes Dutzend, beim FC vor allem Bernd Hollerbach. Vom in dieser Saison oft wunderschönen Hamburger Flügelspiel war ohne den 24jährigen nichts zu sehen. Doch geht es zur Not auch durch die Mitte. Einen präzisen Paß von Dammann hob Szubert gelassen und elegant über Junghans (15.).

Vielleicht war das Führungstor den Hamburgern peinlich, jedenfalls ließen sie es nur drei Minuten später zu einer Verwirrung im eigenen Strafraum kommen, die der grobschlächtige Uwe Fuchs irgendwie zum Ausgleich nutzte. Nicht eventuell, sondern ganz sicher unangenehm muß es wohl Szubert gewesen sein, daß sich die Ereignisse in der zweiten Halbzeit zu wiederholen schienen. Also verzichtete er in der 55. Minute darauf, einen Slalom durch den Kölner Strafraum vor dem leeren Tor vernünftig abzuschließen. Diese grobe Fahrlässigkeit quittierte Fortuna, immerfort eindeutig feldüberlegen, damit, daß Präger das 2:1 erzielte (73.).

Fast sah es so aus, als würden 3.000 Zuschauer (davon 1.000 Paulianer) wie schon in der vergangenen Saison an dieser Stelle dem Ende einer Serie beiwohnen. Damals gewann Pauli im Südstadion sein erstes Auswärtsspiel nach circa zweieinhalb Dutzend Pleiten am Stück. Doch, wie gesagt, das Glück ist heuer mit Maslos Malochern. Sie bleiben daher auf Tuchfühlung zu den Aufstiegsplätzen. Vielleicht machen es auch die Trikots. Die blauen Auswärts-Hemden sind Kopien jener, mit denen in der vergangenen Saison Bochum seinen Weg in die Erstklassigkeit nahm. Man weiß, was draus wurde – und sicher ist: Dort oben hülfe Glück allein nicht mehr. Katrin Weber-Klüver