Schillernder Ludwig

■ Uraufführung: „Ludwig - Tod eines Königs“ von Warlikowski in den Kammerspielen

Er war der schillerndste der deutschen Monarchen: Bayern-König Ludwig II., Liebhaber der Künste und der Künstler. Schwul und geisteskrank wurde er entmachtet und starb auf geheimnisvolle Weise im Starnberger See. Klaus Mann beschrieb 1937 die letzten Tage des Königs als Inhaftierter im eigenen Gemach: Vergittertes Fenster.

An den Kammerspielen dramatisierte Krzysztof Warlikowski diese von Lebenserinnerungen dominierte Novelle mit dem fabelhaften Roland Renner als „Ludwig“: Warlikowski übersetzt die vielen Gedankenmonologe in oft traumartige Sequenzen, verwischt die Grenze zwischen Schloßrealität und Erinnerungsraum. Er schafft eine eigenwillige Inszenierung, die versucht, die gestörte Innenwelt Ludwigs und das Bild seiner Aufpasser nebeneinanderzustellen.

Eine düstere Schwere liegt auf der Inszenierung, ähnlich wie der Regen, der sich bedrohlich durch Manns Novelle zieht. Bühnenbildnerin Malgorzata Warlikowski baute eine Tropfenanlage, die in eine Art Taufbecken mündet, im Hintergrund ein verbogenes Metallgitter, das den Regen andeutet, auch als Übersetzung des Novellentitels. Im Zeitlupentempo schreitet Ludwig geisterhaft an den regenbeschirmten Lakaien vorbei, ein Bild, das wie andere Momente vage an Wilson erinnert, ohne jedoch dessen Intensität zu erreichen.

Eine Wand schiebt sich ein, Ludwig wird in sein Zimmer geführt. Während er bei Mann Trost findet im Gedanken an die Liebe seines Volkes, erfindet Warlikowski den Kammerdiener Folk (= Volk), der ihm Sympathie und Achtung schenkt, eine einfache, wie kluge Personifizierung. Folk (Markus Bartl) führt ihn heimlich durch das Schloß, und die Gemächer werden zu Erinnerungsräumen: Elisabeth (Justina del Corte), die einzige Frau, die er liebte, tritt auf, eine Gondel aus Venedig – Wagners Todesstadt. Ludwig leidet an der enttäuschten Liebe zum Komponisten, leidet an seiner „sündhaften“ Homosexualität. Renner schafft es mit sparsamen Mitteln den Schmerz zu verdeutlichen, an anderer Stelle überzeugt er als Verrückter. Atmosphärisch dichter Höhepunkt ist die traumatische Erinnerung an die Verhaftung: Zu einer finsteren Soundcollage werden ärztliche Gutachten verlesen, Randale im Schloß, Ludwig betrinkt sich wahnsinnig. Bei der Festnahme rezitiert er Schillers Maria Stuart. Ein Traum, in dem Ludwig als schwarzer Schwan von drei nackten Männern gezogen wird, gerät so kitschig, wie es eben diesem Monarchen entspricht. Überhaupt wird hier eine Camp-Ästhetik etabliert, es werden Brüche gewagt, und auch Einbrüche passieren, wie die überflüssige Trauerszene der Elisabeth. Der sehenswerte Abend, so scheint es, bleibt gewollt diffus, heterogen, hat vielleicht deswegen einige Buhs provoziert. Niels Grevsen