Methoden-Partei statt Statt Partei

■ Weniger Mitglieder, bescheidene Ziele: Dieter Brandes über die Zukunft der Wählervereinigung

taz: Mitgliederschwund, interne Querelen um die bundesweite Ausdehnung der Statt Partei, in Hamburg ein Image als profilloser Mehrheitsbeschaffer der SPD. Ihre Bilanz als Vorsitzender fällt nicht gerade überzeugend aus.

Dieter Brandes: Das würde ich nicht generell abstreiten, aber ich würde auch nicht sagen: Das ist wahr.

Die Mitgliederzahlen sprechen eine deutlichere Sprache. Sie sind kräftig gesunken. In ihrer Gründungsphase hatte die Statt Partei 550 Mitglieder, jetzt sind es ...

... gerade mal 450. Stimmt.

Worauf führen Sie das zurück?

Vor allem auf die mißglückte bundesweite Ausdehnung. Daß sich da viele gefragt haben – was ist denn das für eine Partei? Da mache ich nicht mehr mit – dafür habe ich volles Verständnis.

Parteigründer Markus Wegner schiebt die Schuld für das Bundes-Debakel in seiner Autobiographie auf seine Hamburger Parteifreunde und speziell auf Sie. Die Mitglieder hätten eine schnellere Ausdehnung verhindert, der kommissarische Bundesvorstand habe unter Ihrer Leitung Hunderte von Mitgliedern ungeprüft aufgenommen und damit eine Unterwanderung von rechts ermöglicht.

Das Buch habe ich mir inzwischen auch gekauft ...

Keins geschenkt bekommen?

Nein, nein, auch keine persönliche Widmung. Und was die Vorwürfe angeht: Früher hätten wir doch gar keine Ausdehnung beschließen können, es war ja nichts vorbereitet. Und mit den Neuaufnahmen, da gab's eine Periode, in der waren mein Vize Jarchow und ich in Urlaub. In dieser Zeit hat der Restvorstand ohne Not 300 Nordrhein-Westfalen aufgenommen. Und darunter waren in der Tat einige seltsame Typen.

Nicht gerade ungewöhnlich in der Statt Partei.

Sie haben – egal ob im Kegelclub oder in einer Partei – immer welche dabei, die ihr Ego verwirklichen wollen. Und wenn sie das nicht schaffen, dann treten sie aus Frustration aus. Das ist normal – und auch ein Grund für die gesunkenen Mitgliederzahlen.

Ihr Verhältnis zu Markus Wegner ...

... ist gekennzeichnet von einer sehr kritischen Distanz, eine deutliche Gegenposition.

Das könnte man auch deutlicher ausdrücken.

Will ich aber nicht.

Ihre Kritik an Wegner?

Er hält die Grundsätze, mit denen er mal angefangen hat, nicht mehr hoch, schielt mir zu sehr auf die öffentliche Wirkung. Wegner macht zu sehr das, was wir an vielen Politikern anderer Parteien immer kritisieren: Machtstrukturen etablieren; zu jedem Thema etwas sagen, auch wenn es unqualifiziert ist.

Europawahlen, Bundestagswahlen. Überall, wo die Statt Partei antritt, landet sie im Nullkommabereich. Eine politische Eintagsfliege?

Bundesweit halte ich das nicht für ausgeschlossen, in Hamburg dagegen ist es anders. Hier können wir ja jeden Tag zeigen, was wir können.

Wir warten ungeduldigst. Bisher erscheint die Statt Partei eher als willfähriger Gehilfe bei der Konsolidierung der SPD-Regierung.

Ganz im Gegenteil: die Gestaltung der HVV-Tarife; der Sparhaushalt; die Süllberg-Bebauung; die HSW. Und das sind nur einige der Themen, bei denen wir von Anfang an Druck gemacht haben.

Und doch nicht allzu viel erreicht.

Das sagen Sie. Ich finde das in der kurzen Zeit ganz beachtlich. Oder schauen Sie auf die Personalentscheidungen, die wir durchgesetzt haben. Zwei unabhängige Senatoren, drei unabhängige Aufsichtsräte in den Staatstheatern, ein neutrales Mitglied in der Sparkommission. Das muß man ja erstmal erkämpfen. Wir sind schließlich der kleinere Partner. Der kann nicht überall sagen, wo's langgeht.

Das sagt die FDP in Bonn auch immer. Worin unterscheidet sich die Statt Partei?

Alle anderen Parteien sind stark auf ihre Klientel und bestimmte Themen bezogen. Die SPD auf soziale Fragen, die CDU auf konservative Familienpolitik, die Grünen auf die Ökologie. Und die FDP, na ja, die will zur Zeit immer nur Posten. Alle haben eine Orientierung in eine bestimmte Richtung. Für uns zählt dagegen vor allem die vernünftige politische Methode. Wir sind eine Methodenpartei. Wir könnten mit allen Parteien zusammenarbeiten. Für uns ist wichtig, ob man die Probleme vernünftig angeht und löst.

Und da dürfen dann schon einmal ein paar Themen verlorengehen? Energiepolitik zum Beispiel. Da stellt der Senat gerade die Weichen für die nächsten zwanzig Jahre. Die Statt Partei schweigt. Verkehrspolitik – bisher nichts zu hören ...

Wir können uns nicht mit allen wichtigen Themen beschäftigen in der Bürgerschaft. Mit den sieben Abgeordneten, die SPD hat 58! Richtig ist aber, daß sich unsere parteiinternen Arbeitsgruppen noch stärker mit den in Hamburg brennenden Themen befassen müssen. Diese Arbeit zu verbessern, das ist für mich das allerwichtigste Ziel.

Sehr bescheiden für eine Regierungspartei.

Na, hören Sie mal! Es gibt uns jetzt gerade mal ein Jahr. Da mußten wir erst mal etwas üben und feststellen, wo wir stehen. Das nächste Jahr werden wir dazu nutzen, unsere Richtung klarzumachen. Und dann werden wir weitere zwei Jahre Zeit haben, um unsere Ziele umzusetzen. Und was wir dann geschafft haben, das darf die taz dann 1997 genauso beurteilen wie die Wähler.

Interview: Uli Exner