FU-Projekt entdeckt „breite Ozonfahne“

■ Umland leidet extrem unter Berliner Sommersmog / Bei drastischen Maßnahmen „keine kritischen Konzentrationen“

Wer den Sommer im Berliner Umland genießen will, sollte künftig den Wetterbericht aufmerksam verfolgen. Denn im Windschatten der 3,4-Millionen-Metropole bildet sich an heißen Sommertagen eine Ozonfahne, die mehrere Kilometer breit und ein Vielfaches davon lang ist. Im Lee der Hauptstadt werden Augen- und Schleimhäute von dem Atemgift angegriffen, denn dessen Alarmwert von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wird dort überschritten, fanden Umweltverwaltung und die Freie Universität (FU) jetzt heraus. Verwaltung und Uni haben ein 2.000 Quadratkilometer großes Gebiet untersucht. Erste Ergebnisse liegen der taz vor.

In einer graphischen Darstellung für einen Sommertag 1990 zieht sich auf der gesamten Breite Berlins eine schwarze Abluftfahne in Richtung Nordwesten. Das Ozon konzentriert sich um so stärker, je mehr es von Berlin entfernt ist. Deshalb habe man das Untersuchungsgebiet in Zusammenarbeit mit dem Brandenburger Umweltministerium inzwischen auf 12.000 Quadratkilometer mehr als vervierfacht, berichtet Achim Sydow, der die Computersimulation maßgeblich erarbeitet hat. Ergebnisse und Graphiken für den Sommer dieses Jahres sollen noch im November vorliegen.

Die Umweltverwaltung hat die Studie in Auftrag gegeben, um bei Einschränkungen des Autoverkehrs und schadstoffreicher Industrieproduktion die positiven Folgen für Berlin abzuschätzen. Eine Sperrung der Innenstadt für Autos ohne Katalysator bliebe dabei nahezu folgenlos, lautet eins der Ergebnisse. Die maximalen Ozonwerte in der Schadstoffahne nähmen nur „relativ gering“ ab, „während die Ozonwerte im Innenstadtbereich sogar ansteigen“, zieht Sydow Bilanz. Bei einer Reduzierung der Vorläuferstoffe aus Industrie und Automotoren um vier Fünftel würden die Ozonwerte in der Abluftfahne allerdings so stark verringert, „daß keine kritischen Ozonkonzentrationen mehr auftreten“.

Mit der Studie wird das „Kat- Konzept“, mit dem der Senat ab Juli 1998 Autos ohne Katalysator innerhalb des S-Bahn-Rings nicht mehr fahren lassen will, als folgenlos entlarvt. Dennoch hat Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) Auflagen für Industrie und stärkeren Einschränkungen des Autoverkehrs bislang eine Absage erteilt. Unter anderem weil diese Maßnahmen die Stadt mehr oder weniger lahmlegen würden und andererseits zuwenig Effekt hätten. Als im Juli und August zwei Meßflugzeuge drei Wochen lang im Himmel über Berlin und Brandenburg Daten über Entstehung und Bewegung von Ozon sammelten, glaubte Hassemer das Ergebnis schon vorher zu wissen: „Die Meßergebnisse werden nicht den goldenen Knopf offenbaren, an dem wir drehen müssen, um das Ozonproblem abzustellen.“

Doch der Druck zum Handeln nimmt zu: Im Sommer hatten nicht nur mehr die Grünen Fahreinschränkungen gefordert, sondern auch die SPD. Dirk Wildt