We shall not be moved Von Ralf Sotscheck

Heilige Statuen aus Stein, die sich plötzlich bewegen, sind in Irland keine Seltenheit. Im Sommer 1986 brach eine regelrechte Epidemie aus, in allen Winkeln der Grünen Insel waren die Marienskulpturen in Bewegung. Nostradamus hatte das als Zeichen für den bevorstehenden Weltuntergang prophezeit, lag damit aber offenbar schief. Die Statue von Ballinspittle in Cork wurde am berühmtesten, über hunderttausend Leute pilgerten nach Ballinspittle. Die Menschen warteten oft stundenlang und fast regungslos auf eine Bewegung der marmornen Maria. Es waren aber nicht nur die gläubigen Katholiken, sondern auch Atheisten, Hell's Angels und eine Gruppe von Mitgliedern der kommunistischen Partei, die eine Bewegung der Jungfrau wahrzunehmen glaubten. Andere versuchten, die Erscheinungen mit den Lichtverhältnissen und der trügerischen Objektivität des menschlichen Auges zu erklären. Genauso schnell, wie das Phänomen aufgetaucht war, verschwand es auch wieder. Eines Abends, als sich Hunderte von Pilgern um die Statue in Ballinspittle geschart hatten, wurde sie von drei Männern mit Äxten und Eisenstangen zerschlagen.

Während die irische Bevölkerung damals in der Frage der Statuen quer durch alle Schichten, Altersgruppen und Ideologien gespalten war, besteht diesmal überhaupt kein Zweifel: Trotz der Speere, die den Körper des Märtyrers durchbohren, ist der Heilige Sebastian erstaunlich mobil — jedenfalls für eine Statue aus Stein. Vor kurzem ist sie aus einem Museum in Corofin an der irischen Westküste entwischt. Wenig später tauchte die Steinfigur aus dem 15. oder 16. Jahrhundert an der Eingangstür zur katholischen Kirche des Ortes wieder auf — diesmal jedoch in die Kirchenwand einbetoniert, was ihre Bewegungsfreiheit erheblich einschränkt. Auf der anderen Seite der Kirchentür fand man, ebenfalls einbetoniert, die Statue eines längst vergessenen Bischofs, die eigentlich seit Generationen in der verfallenen Kirche des Nachbarortes Rath stand.

Kein Mensch weiß, wie die beiden Steinfiguren das gemacht haben, doch manche vermuten irdische Kräfte dahinter. Nach dem unbekannten Bischof kräht zwar kein Hahn, aber sein neues Gegenüber, der Heilige Sebastian, hat Corofin in helle Aufregung versetzt. Die wertvolle Figur gehört mindestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts zum Familienbesitz der McNamaras, einer angesehenen Arztfamilie. Die hatte den Steinklotz dem Museum in vermeintlich sichere Verwahrung gegeben. Über seine Ortsveränderung waren die McNamaras nicht informiert worden. Einer von ihnen sagte, die ganze Angelegenheit sei äußerst delikat, aber man hoffe, daß es „schon bald zu einer glücklichen Lösung kommen“ würde. Von der Hauptverwaltung in Dublin, dem das Museum in Corofin untersteht, konnte sich ebenfalls niemand das Verschwinden des Märtyrers erklären. Hat der ortsansässige Pfarrer Patrick Taaffe den Heiligen etwa bei Nacht und Nebel entführt und in seiner Kirche einzementiert? Er verweigerte bisher jede Auskunft. Vielleicht haben sich Sebastian und der Bischof aber auch aus freien Stücken auf die Socken gemacht. Schließlich ist angesichts der drohenden Legalisierung von Abtreibungsinformationen mal wieder ein Zeichen von oben fällig.