: „Touristen“ raus – aber nur Schwarze
Südafrikas Regierung entdeckt die Abneigung der eigenen Schwarzen gegen Zuwanderer aus Afrika / Um das Volk zu befriedigen, hält sie die Grenzen dicht / Einnahmequelle für Polizisten ■ Von Willi Germund
Komatiport (taz) – Die dichtgerollten Stacheldrahtrollen links und rechts des Grenzübergangs bilden einen undurchdringlichen Verhau, der sich schließlich am Horizont im afrikanischen Busch verliert. In einer der Baracken von Komatiport, ein paar Kilometer südlich des Krüger-Nationalparks, sitzt ein südafrikanischer Soldat und wacht über die Schalttafel. Lämpchen zeigen ihm an, wenn ein Grenzgänger einen mit niedriger Spannung geladenen Draht berührt und wo. Der Grenzverhau zum Nachbarland Mosambik ist ein Überbleibsel aus alten Apartheid-Zeiten. Aber nachdem Südafrika jahrzehntelang aus politischen Gründen vom Rest Afrikas isoliert war, verlangt nun auch die schwarze Bevölkerungsmehrheit des „Neuen Südafrika“ nach neuer Abschottung.
„Die sollten die alten Paßgesetze wieder einführen“, meint etwa der Fotograf Walter Dladla, ein gebürtiger Zulu, „damit kontrolliert werden kann, wer Südafrikaner ist.“ Früher kontrollierte so das weiße Minderheitsregime den Zuzug der Schwarzen in die Städte. Nun macht sich selbst der liberale weiße Politologe Frederik van Zyl Slabbert Sorgen: „In manchen Gebäuden in Johannesburg wird nur noch Portugiesisch und Französisch gesprochen.“ Ponce-City, ein riesiges Hochhaus im Johannesburger Stadtteil Hillbrow, heißt im Volksmund längst Kinshasa- Tower – nach Zaires Hauptstadt.
Rund 2,5 Millionen „Touristen“ aus Afrika verzeichnete Südafrikas Tourismusbehörde im Jahr 1993. Die meisten kamen aus den Nachbarländern Mosambik und Simbabwe, aus Angola oder Zaire. Auch Nigerianer haben Südafrika entdeckt – bei vielen Südafrikanern werden sie durch die Bank als Rauschgifthändler beschimpft. Selbst junge Flüchtlinge aus Ruanda marschierten zu Fuß quer durch Afrika bis nach Simbabwe.
„Wenn wir eine Mitgliederbefragung starten würden“, erklärte unlängst Sam Shilowa, der Vorsitzende des 1,3 Millionen Mitglieder zählenden südafrikanischen Gewerkschaftbundes Cosatu, „würde die große Mehrheit sicher dafür plädieren, die illegalen Einwanderer alle hinauszuwerfen.“ Die Politiker mahnen bisher zu Mäßigung. Aber 50 Prozent Arbeitslosigkeit in Südafrika und 15 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze stellen auch ohne die zusätzliche Last der Einwanderer ein riesiges Problem dar – und die illegalen Zuwanderer konkurrieren um die wenigen Arbeitsplätze. Die Gold- und Kohlebergwerke beschäftigen seit Jahren billige Wanderarbeiter. Die Abneigung der südafrikanischen Schwarzen gegen Zuwanderer wird immer deutlicher spürbar. „Ich werde überall nur angefeindet“, beschwerte sich jüngst ein Leserbriefschreiber in der Johannesburger Tageszeitung Star. Er selber ist Südafrikaner, aber seine Haut fällt dunkler aus als bei südafrikanischen Schwarzen üblich.
Vizeverteidigungsminister Ronnie Kasrils, der als Untergrundkämpfer einst in mehreren schwarzafrikanischen Staaten Unterschlupf fand, kündigte Ende Oktober vor dem Parlament an, daß an der Grenze zu Simbabwe der bestehende Zaun um 100 Kilometer verlängert werden soll. Kasrils, Mitglied des regierenden ANC, handelt auch aus innenpolitischen Gründen: Eigentlich zuständig für den Stopp und die Abschiebung illegaler Einwanderer ist Innenminister Mangosuthu Buthelezi, Vorsitzender der konservativen Schwarzenorganisation Inkatha. Buthelezi hat erkannt, daß sich aus einer harten Ausländerpolitik politisches Kapital schlagen läßt – und Kasrils will dasselbe nun auch für den ANC erreichen.
Mit den von Buthelezi angeregten verstärkten Verhaftungswellen illegaler Einwanderer eröffnet sich jedoch erst einmal eine neue Nebenerwerbsquelle für Polizisten. Das fand der aus Simbabwe stammende Gärtner Love It heraus, als sein Sohn ihn unerwartet besuchte. Kaum angekommen, saß der junge Mann schon als illegaler Zuwanderer in Haft. Vater Love It löste das Problem mit „back door money“ – sein Monatssalär legte er einem Polizisten unter der Hand hin, damit sein Sohn auf freien Fuß gesetzt würde. Zwei Tage später wurde der junge Mann vom gleichen Polizisten erneut verhaftet – und nach Zahlung des nächsten „Hintertürchen-Geldes“ wieder in Freiheit gesetzt. Love Its Sohn arbeitet mittlerweile auf einer weißen Farm – illegal, versteht sich, aber weit weg vom Revier des altbekannten Polizisten.
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