Sekretär für ungeklärte Aufgaben

■ Die Nato strebt engere Zusammenarbeit mit der WEU an

Brüssel (taz) – Der frisch gekürte Generalsekretär der Westeuropäischen Union (WEU), der Portugiese José Cutileiro, konnte sich übers Wochenende schon mal eine europäische Antwort auf den jüngsten Vorstoß der USA, die Kontrolle des Waffenembargos gegen Ex-Jugoslawien aufzuheben, überlegen. Heute wird Cutileiro, auf den sich die neun Regierungen der WEU am Donnerstag nach längerer Diskussion verständigten, im niederländischen Noordwijk offiziell zum neuen Generalsekretär der WEU ernannt. Bei dieser Gelegenheit werden die WEU-Außenminister zwangsläufig über die europäische Bosnien- Politik nachdenken müssen, die durch die US-Aktion schwer in Verlegenheit kommt. Die Europäer fürchten, daß bereits die Aufhebung der Kontrolle des Waffenembargos den Krieg verschärfen und die Blauhelmtruppen in Gefahr bringen werde.

Cutileiro hat 1992 die internationale Jugoslawien-Konferenz geleitet und gilt als Kenner sowohl der Bosnien-Szene als auch der WEU, zwei gleichermaßen komplizierte Bereiche. Die WEU, die 1948 unter dem damaligen Namen Western-Union als europäisches Verteidigungsbündnis gegründet wurde und fast vierzig Jahre im Schatten der Nato schlummerte, soll laut den Maastrichter Verträgen zum militärischen Arm der Europäischen Union ausgebaut werden. Seitdem sucht die WEU ihren Platz zwischen Nato und Europäischer Union.

Cutileiros direkter Gegenspieler, Nato-Generalsekretär Willy Claes, hat unterdessen gestern in Rimini deutlich gemacht, daß die Allianz die Zusammenarbeit mit der WEU ausbauen will, um besser auf Krisen reagieren zu können: „Wir können nicht erwarten, daß bei jeder Krise die USA die Führung übernehmen.“ Daher sei die Nato bereit, ihre Mittel der WEU für Einsätze, an denen sich die USA nicht beteiligen, zur Verfügung zu stellen. Zudem werde man die Schaffung gemeinsamer Einsatztruppen weiter vorantreiben.

Bisher haben die meisten EU- Länder eine Aufwertung der WEU hinausgezögert, da sie fürchten, dadurch den militärischen Schutz der USA zu verlieren. Sie legen Wert darauf, daß die WEU allerhöchstens ein europäischer Pfeiler innerhalb der Nato sein dürfe, keinesfalls aber ein Militärbündnis neben oder anstelle der Nato. Und so hat sich die WEU zu einer Plattform entwickelt, auf der offizielle Gespräche stattfinden, für die es sonst keinen angemessenen Rahmen gäbe. Alois Berger