Italiens Regierung am Ende

■ Millionen-Demo vom Samstag leitet Götterdämmerung ein. Springt Bossi ab? Berlusconi als neuer Staatspräsident?

Mit Bonmots tut sich Silvio Berlusconi, seit knapp einem halben Jahr Ministerpräsident, schon immer leicht – manche meinen, es sei das einzige, was er so recht beherrsche, und damit habe er auch unternehmerische Mängel schon oft genug überdeckt.

Derzeit allerdings scheinen ihm seine Sprüche gründlich danebenzugehen – so auch wieder am vergangenen Wochenende, als er die Demonstration zuerst als „das Millionending, auf das ich nicht wetten würde“ bezeichnete und nach deren noch weit über Gewerkschaftserwartungen hinausgehendes Gelingen (1,2 Millionen Teilnehmer und keinerlei Zwischenfälle) den Klugspruch „Arbeiten, nicht streiken“ ins Volk schleuderte. Da lachte die Nation, der Corriere della sera zeichnete den Regierungschef hilfesuchend auf einem Hausdach sitzend, und unten wie bei der Po-Überschwemmung ein unübersehbares Meer von Demonstranten.

Längst schon gehen seine eigenen Partner auf Distanz. Er solle sich endlich mal die Ohren reinigen lassen, murrte sein Koalitionspartner Umberto Bossi von der „Lega Nord“. Arbeitsminister Clemente Mastella, ein recycelter Christdemokrat, ist sogar entgegen Berlusconis Diktat wieder in Verhandlungen mit der Gewerkschaft eingetreten. Selbst Berlusconis getreuester Knappe, Regierungssprecher Giuliano Ferrara, hat in einem offenen Brief an seinen Chef inzwischen „eine bessere Wahrnehmung des Volkswillens“ gefordert. Auch der Chef der nationalen Allianz, Gianfranco Fini, der bisher unverbrüchlich zu Berlusconi stand, verteidigt den Regierungschef inzwischen nicht mehr direkt – er brummelt allenfalls noch etwas über den „unzulässig politischen und nicht tarifrechtlichen Charakter“ dieser Streiks.

Umberto Bossi und seine „Liga“ fordern nun ebenso wie die mitregierenden Zentrumschristen ein „Koalitionsgespräch“ – in Italien in aller Regel das Vorspiel zu einer nahenden Regierungskrise. Nicht mehr nur heimlich treffen sich hohe Koalitionäre (sogar auch schon aus Berlusconis eigener „Forza Italia“) mit Oppositionspolitikern und erörtern ein „Nach- Berlusconi“.

Der Ministerpräsident versucht derzeit noch alles mit ironischem Lächeln zu überspielen. Doch nun kam am Sonntag noch ein weiterer Hieb, den er ganz besonders schwer verdaut: Der frühere Staatspräsident Francesco Cossiga, Enfant terrible der Politik mit oft sehr unangenehmen, meist später eingetretenen Prophezeihungen, sagt den Sturz Berlusconis spätestens Anfang des Jahres und Neuwahlen im Frühjahr voraus. Auch Berlusconi sei sich darüber im klaren – und bereite deshalb längst einen Überraschungscoup vor. Er wolle die Verfassung in Richtung auf eine Präsidialrepublik nach dem Muster des Frankreichs unter Charles de Gaulle verändern – und dann selbst Staatspräsident werden.

Dann kam der eigentliche Hammer für Silvio Berlusconi: Er, Cossiga, wisse aber auch schon, wer der Gegenkandidat sei – der derzeitige, hochangesehene und beliebte Amtsinhaber Oscar Luigi Scalfaro. Und der werde, so noch einmal Cossiga, Berlusconi „um viele Längen schlagen“.