Im Zeichen der Enttäuschung

■ Vier Jahre nach der demokratischen Revolution wird heute in Nepal gewählt / Königstreue haben gute Chancen

Delhi (taz) – Vor vier Jahren hatten die NepalesInnen ihrem König die parlamentarische Demokratie abgetrotzt. König Birendra mußte auf die absolute Macht verzichten. Heute wählt das Königreich Nepal ein neues Parlament, zwei Jahre vor Ablauf der Legislaturperiode, und die Vertreter des alten Regimes sind wieder dabei.

Im Juli hatten Abgeordnete des regierenden „Nepali Congress“ ihrem eigenen Premierminister G. P. Koirala die Gefolgschaft versagt – das Kabinett hatte keine Mehrheit mehr, und König Birendra ließ Neuwahlen ausschreiben. Vorwürfe an die Regierung wegen Korruption und Vetternwirtschaft kamen zunehmend aus den eigenen Reihen.

Die nepalesische KP, bei den letzten Wahlen zweitstärkste politische Kraft in Nepal, könnte aus dem Streit der Regierungspartei den größten Nutzen ziehen – wäre sie nicht ebenso zerstritten. Unter ihrem Parteichef M. Adhikari hat sie ihre klassenkämpferische Haltung weitgehend aufgegeben, nicht ohne sich intern in heftigste ideologische Debatten zu verwickeln. Eine Reihe kleinerer Parteien machen den Kommunisten nun das linke Wählerspektrum streitig, und im industrialisierten Süden appelliert die „Sadbhavana-Partei“ an die ethnischen Instinkte der indienstämmigen Bevölkerung.

Bei dieser Konstellation sehen viele schon die „National-Demokratische Partei“ RPP als künftigen Königsmacher. Die RPP ist das Auffangbecken für die Politiker des diskreditierten früheren monarchistischen Panchajat-Regimes. Im ersten Parlament besetzte sie nur magere vier Sitze, aber Beobachter in Kathmandu trauen ihr in diesem Wahlgang den Sieg in zwanzig Wahlkreisen zu. Wenn – wie allgemein erwartet – weder Regierungspartei noch Kommunisten die absolute Mehrheit erhalten, dürfte die RPP als Koalitionspartner umworben werden.

Daß vier Jahre nach der demokratischen Revolution wieder Panchayat-Anhänger in eine Regierung Einzug halten könnten, erfüllt viele Nepalesen mit Bitterkeit gegen jene Parteien, die vor vier Jahren den Kampf für eine Verfassungsmonarchie angeführt hatten. „Wir haben die Hoffnungen des Volkes auf eine demokratische und gerechte Entwicklung schwer enttäuscht“, meint etwa der Entwicklungshelfer Navin Rai, der 1990 für die Demokratie auf die Straße gegangen war und diesmal nicht einmal mehr wählen geht. „Wen sollte ich wählen? Nur die Gesichter sind anders geworden – die Einstellungen und Strukturen sind dieselben geblieben.“

Einzelne Fortschritte sind zwar zu verzeichnen, so etwa die Möglichkeit für Geberländer, ihre Entwicklungshilfe direkt in Projekte zu investieren, statt sie wie früher durch korrupte Kanäle zu leiten. Aber Ämterschacher, Nepotismus und Korruption sind geblieben. Die Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien, so meint der ehemalige Studentenführer Rai, hat sich zunächst einmal in den Amtsstuben durchgesetzt. „Wer früher monatelang auf eine Bewilligung warten mußte, erhält sie jetzt noch am gleichen Tag – gegen ein saftiges Trinkgeld unter dem Tisch.“ Die Menschen, die das nötige Kleingeld nicht haben – in Nepal ist es die überwältigende Bevölkerungsmehrheit – warten noch länger als früher. Bernhard Imhasly