Vom kleinen Trommelbuddha

■ Paul Motian, der Halbgott der Jazzschlagwerker, brillierte in vier verschiedenen Bands beim Festival „Motians Motions“

Wie ein kleiner, cooler Buddha saß Paul Motian Montag- und Dienstagabend in der Schauburg hinter seinem Schlagzeug. Mit einer sanften Autorität und intensiven Hingabe war er bei jeder der vier verschiedenen Bands das pulsierende Zentrum der Musik. Dabei spielte er ganz bescheiden und zurückhaltend. Die Soloparts schob er fast auschließlich seinen Mitspielern zu, er selbst gab nur wenige kurze Statements auf dem unbegleiteten Schlagzeug. Aber sein komplexes Spiel, in dem die gesamte Tradition des Jazz so souverän aufgehoben ist, daß er nun frei trommeln kann, was ihm gerade in den musikalischen Sinn kommt, gab der Musik ihre Spannung und Kraft. Bei diesen Konzerten hatte man zu jeder Zeit das Gefühl, in der Obhut eines Meisters zu sein.

In dem Trio mit Bill Frisell und Joe Lovano wirkte Motian wie ein Mittler, der die unterschiedlichen Temperamente der Mitspieler miteinander versöhnte: Lovano spielte mit seinem warmen Ton auf dem Tenorsaxophon eher traditionell und organisch, während Frisell mit dem artifiziellen Sound seiner elektischen Gitarre einen eklektischen Cocktail aus Avantgarde, Rock und sogar Countrymusik mixte.

Für den Set „Play the Music of Bill Evans“ gesellte sich Marc Johnson zu den drei Musikern – der Bassist der den Pianisten in seinem letzten Trio begleitete. Ihr Programm bestand nicht aus reinem Wohlklang wie andere Hommagen an Evans. Kapazitäten wie John McLaughlin und das Kronos Quartett sind in diese Falle getappt und haben dabei in braver Fleißarbeit nur blaße Kopien zustandegebracht. Motians Band spielte dagegen gemäß dem Geiste von Evans Musik: sensibel, spontan, und mit einer lyrischen Melancholie, die gerade weil sie nur sparsam eingesetzt wurde, umso eindringlicher wirkte.

Seit Motian in den frühen 60er Jahren mit Bill Evans spielte, hat er immer wieder mit Pianisten zusammengearbeitet: mit Paul Bley, Keith Jarrett und vielen anderen. Ein klassisch besetztes Pianotrio durfte also in diesem Programm nicht fehlen. Der Japaner Masabumi Kikuchi war mit seinem ersten Auftritt in Europa die Neuentdeckung des Festivals. Der abenteuerlich und erfindungsreich spielende Pianist kniete sich grimmig brummend so intensiv in Standards wie „Bye, Bye Blackbird“, „So In Love“ oder „Oleo“ hinein, daß er einmal tatsächlich vom Sitzschemel auf die die Knie sank. Unerbittlich versenkte er sich in die Kompositionen, um in verwegenen Improvisationen ihre Tiefen auszuloten. Marc Johnson und Motian folgten ihm dabei mit einer bewunderswerten Leichtigkeit und Eleganz. In der „Electric Bebop Band“ lieferte Motian dann zusammen mit Steve Swallow am E-Bass den sicheren rhythmischen Teppich, auf dem die jungen Musiker Chris Potter und Chris Cheeks (Saxophon) sowie Brad Schoeppach und Kurt Rosenwinkel (Gitarre) zu klassischen Stücken von Bud Powell, Miles Davis oder Dizzy Gillespie improvisieren konnten. Ganz unangestrengt swingend machten sie tatsächlich elektrisch verjüngten Bebop. Motian spielte diese Musik als Twen in den Bands von Monk, Coleman Hawkins und Oscar Pettiford. Und so schloß sich der weite musikalische Bogen des Festivals mit dem Jazz aus Motians Jugend, gespielt mit den Youngsters in seiner Band. Willy Taub