Wer soll künftig die Bulette prüfen?

Vom 1. Januar 1995 an sollen die Bezirke die Untersuchung von Lebensmitteln selbst bezahlen / Allein im Bezirk Kreuzberg steht nur ein Drittel der benötigten Gelder zur Verfügung / Bezirke befürchten Einbruch in der Qualität  ■ Von Dorothee Winden

Bei der Analyse von Lebensmittel- und Bodenproben müssen die Bezirke ab 1995 erhebliche Abstriche machen. Denn was bislang aus der Landeskasse finanziert wurde, müssen die Bezirke ab dem 1. Januar selbst bezahlen. Das Land Berlin wälzt damit 19 Millionen Mark auf die Bezirke ab. „Wir bekommen keine zusätzlichen Mittel vom Senat“, heißt es aus dem Bezirksamt Kreuzberg. 193.000 Mark hat der Bezirk für 1995 durch andere Einsparungen zusammengekratzt. Doch den Bedarf für Analysen des Gesundheits-, Umwelt- und Lebensmittelamtes schätzt man auf 587.000 Mark. Zur Verfügung steht also nur ein Drittel der nötigen Gelder. „Die Aufgaben können nicht mehr in dem Maße wie bisher wahrgenommen werden“, befürchtet ein Mitarbeiter. „Wenn der Finanzsenator da keinen Nachschlag gibt, können wir den Betrieb einstellen.“ Er kritisiert, daß sechs Wochen bevor die Neuregelung in Kraft treten soll, die Bezirke vom Senat noch nicht einmal eine Gebührenordnung erhalten haben.

Die geplante Umstrukturierung ist Teil der Verwaltungsreform, wonach Behörden sich Leistungen, die sie für andere Behörden erbringen, untereinander in Rechnung stellen. Fünf Landesinstitute sollen ab Januar 1995 in einem „Berliner Betrieb für zentrale gesundheitliche Aufgaben“ (BBGes) zusammengefaßt werden, darunter das Landesuntersuchungsamt für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen (LAT), das Landestropeninstitut und die Beratungsstelle für Vergiftungserscheinungen. Der Gesetzentwurf aus dem Hause von Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) soll heute im Unterausschuß Krankenhaus des Abgeordnetenhauses beschlossen werden. Ein Mitarbeiter des LAT erläuterte gegenüber der taz, wie er die Folgen einschätzt: „Jetzt prüfen wir bei einer Bulette nicht nur, ob Salmonellen drin sind, sondern auch die Fettmenge und den Fleischgehalt.“ Er befürchtet, daß künftig nur noch nach Salmonellen gesucht wird, weil sich die Bezirke die anderen Analysen nicht leisten können.

Mit der neuen Rechtsform als Eigenbetrieb des Landes Berlin soll der BBGes in Zukunft auch Aufträge der Privatwirtschaft übernehmen. Ob sich die davon erhofften Einnahmen auch tatsächlich erzielen lassen, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Der Landesverband der Lebensmittelchemiker im öffentlichen Dienst warnt vor Interessenkonflikten, wenn die amtlichen Lebensmittelprüfer künftig auch private Aufträge bearbeiten. Finden sie beispielsweise Pestizidrückstände in Babynahrung, müßten sie von Amts wegen den privaten Auftraggeber sofort verfolgen. Das wird in dem Berliner Gesetz auch festgeschrieben. Doch welches Unternehmen wird dann noch Aufträge erteilen, wenn es damit rechnen muß, daß negative Ergebnisse umgehend bei den Behörden landen?

Den Bedenken des Lebensmittelchemikerverbandes hat sich auch die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministeriums, Sabine Bergmann-Pohl (CDU), angeschlossen. In einem Schreiben vom 13. Oktober teilte sie Gesundheitssenator Luther mit, daß „eine auch nur teilweise Privatisierung (...) das anerkannt hohe Niveau der amtlichen Lebensmittelüberwachung in der Bundesrepublik gefährden kann“.

Der Berliner Gesetzentwurf birgt für die Zukunft des BBGes noch einen Unsicherheitsfaktor: Die Bezirke sind nur für die nächsten beiden Jahre verpflichtet, die Proben aus ihrem Zuständigkeitsbereich bei den amtlichen Prüfern untersuchen zu lassen. Für die Zeit nach 1997 soll geprüft werden, ob sie nicht auch private Labore damit beauftragen können. „Das ist der Anfang vom Ende des BBGes“, prophezeit Matthias Brockstedt, ärztlicher Leiter der Landesberatungsstelle für Vergiftungserscheinungen. Wenn sich der Landesbetrieb nicht weitgehend selbst trägt, drohen weitere Stelleneinsparungen. Brockstedt fordert deshalb eine Bestandsgarantie der öffentlichen Aufträge.