■ Europäischer Rechnungshof rügt das Prassen in der EU
: Bauernschlau

Alle Jahre wieder, kurz vor Weihnachten, lädt der Europäische Rechnungshof die Regierungen in den EU-Mitgliedsländern ein, innezuhalten und über die Verschwendung öffentlicher Gelder in der Europäischen Union zu erschrecken. Verschwendung ist übrigens nur die vornehme Umschreibung von Betrug. Auf rund 500 engbedruckten Seiten listen die Kontrolleure eine Unmenge von Skandalen, Skandälchen und Ungereimtheiten auf. So wie es aussieht, ist niemand ernsthaft daran interessiert, etwas dagegen zu unternehmen. 80 Prozent der EU-Mittel werden unter Aufsicht der nationalen Behörden verteilt. Es gibt plausible Schätzungen, nach denen jährlich zwischen 10 und 15 Milliarden Mark in falsche Taschen fließen. Der Rechnungsbericht räumt auch mit dem uralten Vorurteil auf, daß Schlampereien vorwiegend eine Eigenart der südlichen Länder seien. Besonders in Ostdeutschland, wohin viele Milliarden aus Brüssel fließen, gibt es kaum eine Maßnahme, die vom Rechnungshof unbeanstandet bleibt. Wenn ein mecklenburgischer Bauer eine halbe Million für die Rodung von Apfelbäumen kassiert, die nie gefällt wurden, dann hat das nichts mehr mit Schlamperei, aber viel mit krimineller Energie zu tun. Auffallend ist dabei, daß alle nationalen Behörden, auch die deutschen, Betrug gegen die Europäische Union nur halbherzig verfolgen.

Ehrlich oder unehrlich, es geht schließlich nur um europäisches Geld, das zu 30 Prozent aus deutschen Steuern stammt, aber zu 100 Prozent im Land bleibt. Vor allem in der Landwirtschaft wird eine erstaunliche Milde an den Tag gelegt. Dabei wird gerade in diesem Bereich besonders viel abgezockt. Das liegt nicht daran, daß Bauern schlechtere Menschen wären. Sie werden durch die verworrene EU-Agrarpolitik, die mit 70 Milliarden Mark das halbe EU-Budget ausmacht, nur öfter eingeladen.

Mit großer Penetranz schwadronieren Kinkel, Kohl und Kanther bei jeder Gelegenheit von der Bedrohung Europas durch Asylmißbrauch und Ausländerkriminalität und verlangen von den Partnern ein gemeinsames strengeres Vorgehen. Von einer Initiative gegen Betrug an der Europäischen Union hat man von der deutschen Bundesregierung, die während ihrer EU-Ratspräsidentschaft die Verbrechensbekämpfung in der Europäischen Union zum zentralen Thema erhoben hat, bisher allerdings noch nichts gehört. Alois Berger