Wann hilft die Nato der Enklave Bihać?

Diskussion über Einsatz von Nato-Flugzeugen auch in Kroatien / Serbische Angriffe auf das nordwestbosnische Bihać führen zum Zusammenbruch des Schwarzmarkts  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Vertreter von UNO und Nato haben am Mittwoch weiter über mögliche Einsätze von Nato- Kampfflugzeugen im Luftraum über Kroatien beraten. Damit soll die zunehmende Beteiligung der Krajina-Serben am Krieg in Bosnien gestoppt werden. Außerdem wurde die Einrichtung einer „Waffen-Sperrzone“ für schwere Waffen um die heftig umkämpfte nordwestbosnische Stadt Bihać erwogen.

Dabei stellte ein Sprecher der Unprofor gestern klar, daß für einen Nato-Einsatz in Kroatien eine neue Resolution des UNO-Sicherheitsrats erforderlich ist. Bisher hatte es dagegen geheißen, daß einer Bombardierung serbischer Stellungen in der Krajina lediglich technische und logistische Probleme entgegenstehen. Die Nato verfügt über ein Mandat des UN- Sicherheitsrats, das die Überwachung des militärischen Flugverbots über Bosnien und seine Durchsetzung durch Kampfflugzeuge vorsieht. Außerdem kann die Nato im Fall von Angriffen einer Kriegspartei auf Unprofor- Soldaten in Bosnien „Luftunterstützung“ leisten. Schließlich ist die Nato zu Luftangriffen auf schwere Waffen ermächtigt, die innerhalb der beiden bisherigen Ausschlußzonen für schwere Waffen, Sarajevo und Gorazde, eingesetzt werden.

Für die Ausweitung des Nato- Mandats auf Kroatien werden mehrere Optionen diskutiert: Luftangriffe auf Raketen- und Artilleriestellungen kroatischer Serben in der Krajina, von denen aus die UNO-Schutzzone Bihać oder Unprofor-Stellungen in Bosnien beschossen werden. Erwogen werden auch Nato-Schläge gegen Flughäfen in der Krajina, von denen aus seit letzter Woche Luftangriffe gegen Bihać sowie gegen Stellungen bosnischer Regierungstruppen geflogen wurden.

Ein entsprechender Beschluß des Sicherheitsrates dürfte allerdings an Rußland scheitern. Nach Moskauer Interpretation sieht selbst das Mandat der Nato für Bosnien die Möglichkeit zu präventiven Schlägen gegen Flughäfen und andere militärische Infrastruktureinrichtungen nicht vor.

Eine dritte Option ist, auch den in Kroatien stationierten Unprofor-Truppen im Fall von Angriffen durch eine Kriegspartei Nato- Luftunterstützung zu gewähren. Die Zustimmung der Regierung Tudjman für alle diskutierten Optionen liegt vor. Auch alle technischen und logistischen Voraussetzungen sind nach Angaben der Nato inzwischen gegeben.

Bihać gilt bislang nur als eine der sechs UNO-„Schutzzonen“, die der Sicherheitsrat im Mai 93 eingerichtet hatte. Bei der Diskussion über eine Ausschlußzone für schwere Waffen geht es nun vor allem um die Größe dieser Zone. Eine zu eng gezogene Grenze würde – wie etwa in Goražde – lediglich zur Entwaffnung der bosnischen Regierungstruppen führen, die die Stadt verteidigen, die serbischen Belagerer jedoch nicht betreffen.

Unterdessen haben die bosnischen Serben den militärischen Druck auf Bihać auch gestern weiter erhöht. Der bosnische Rundfunk sprach von „Tausenden von Artilleriegeschossen“, die auf die Stellungen der Regierungsarmee abgefeuert worden seien. Schwere Gefechte und Artillerieduelle gab es außerdem bei der Industriestadt Tuzla. Ihre Innenstadt wurde von serbischer Fernartillerie unter Beschuß genommen.

Das Flüchtlingswerk UNHCR nannte die Versorgungslage in dem von serbischen Truppen eingeschlossenen Bihać kritisch. In den vergangenen sechs Monaten hätten die Serben nur zwölf der geplanten 139 Konvois mit Hilfsgütern durchgelassen. Sogar der Schwarzmarkthandel in dem ehemaligen Schmugglerparadies sei aus Mangel an Gütern zusammengebrochen. Kranke und Verletzte seien bereits gestorben, weil sie den Weg in die Krankenhäuser nicht mehr geschafft hätten. Ein Sprecher fügte hinzu, seine Organisation habe die Nato bereits zur Wiederaufnahme des Abwurfs von Lebensmitteln aufgefordert. Der Beginn der Transportflüge verzögere sich aber wegen der angespannten Sicherheitslage.