Gefällte Apfelbäume in voller Blüte

■ EU-Rechnungshof kritisiert Verschwendung

Straßburg (AFP/taz) – Die Unterstützung der Bauern läßt sich die Europäische Union besonders viel kosten. Doch ein Teil der Subventionen versickert offenbar ohne jeden Effekt. So kassierte ein Bauer in Brandenburg über 400.000 Mark für die Rodung von Apfelbäumen. „Flächenstillegung“ heißt das im EU-Jargon. Doch weil ihn keiner kontrollierte, ließ der Bauer die Bäume einfach stehen und erntete munter weiter. Der neue Bericht des EU-Rechnungshofes für 1993 enthält eine lange Liste solcher Schlampereien; besonders in den neuen Bundesländern wird offenbar kaum kontrolliert, wohin die EU-Millionen fließen.

So wurden in Ostdeutschland 40 Regionalhilfeprojekte überprüft. Bei fast allen seien Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, klagte der Präsident des EU-Rechnungshofes, Andre Middelhoek, am Dienstag vor dem Straßburger Europaparlament. Unter anderem übernahm ein Ostunternehmen einige gebrauchte Container von einer Tochterfirma. Doch von der EU ließen sich die Manager den Neupreis bezahlen. Bei vier der vierzig kontrollierten Projekte in den neuen Bundesländern ermittelt jetzt sogar der Staatsanwalt.

In einem besonders krassen Fall stellten die EU-Rechnungsprüfer in Berlin fest, daß eine Beratungsfirma den bei ihr angestellten Lehrkräften Monatsgehälter von 20.000 Mark zahlte – aus Mitteln des EU-Sozialfonds.

Auch mit den eigenen Vorschriften nehmen es die Subventionsbüros der EU offenbar nicht sonderlich genau. Eine Lebensmittelfabrik in Mecklenburg-Vorpommern wurde mit EU-Zuschüssen gefördert, obwohl sie giftiges Abwasser ungeklärt in die Kanalisation laufen ließ. Selbst eine Ferienkolonie, in der fast nur Bungalows aus Asbest-Platten standen, wurde mit EU-Mitteln umgebaut – ohne daß die Entsorgung geplant wurde.

Verantwortlich für Schlamperei und Verschwendung sei aber nicht die EU-Kommission alleine, erklärte der Präsident des Rechnungshofes. Denn von den weit über 100 Milliarden Mark, die die EU pro Jahr ausgibt, würden 80 Prozent in Absprache mit den Mitgliedsstaaten verteilt. Doch bei denen fehle die Bereitschaft zur Kooperation. Ihre Behörden würden auf Unregelmäßigkeiten nur „lax und inkonsequent“ reagieren, klagte Middelhoek. In der Bundesrepublik müsse daher die Überwachung der Agrarsubventionen dringend verbessert werden.

Auch die Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London muß sich wieder einmal Kritik anhören: Über ihre Konten liefen die meisten Euro-Millionen für die Unterstützung von Mittel- und Osteuropa. Die Bank verdiente dabei an den Zinsen ganz nebenbei über eine Million Mark, die sie für ihre eigene Verwaltung verwendete, anstatt daraus neue Projekte in Osteuropa zu finanzieren.

Auch die 440 Millionen Mark, mit denen die EU seit 1991 die Atomkraftwerke in Osteuropa modernisieren wollte, seien „äußerst unzulänglich“ verwendet worden, kritisieren die Prüfer. Ähnlich bei der Verbesserung der Braunkohlekraftwerke in Sachsen, Polen und Böhmen: Dafür seien seit 1991 zwölf Millionen Mark überwiesen worden. Doch geschehen sei fast nichts. Statt weniger Umweltverschmutzung erbrachte das Programm bisher nur eine wissenschaftliche Studie. Kosten: 300.000 Mark.