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Rüge im Kaindl-Prozeß

■ Richterin belehrte Antifas

Berlin (taz) – Mit einer „ungewöhnlichen Vorrede“, wie sie es selbst nannte, eröffnete die Vorsitzende Richterin Gabriele Eschenhagen am Dienstag ihre Urteilsbegründung im Kaindl-Prozeß. Die „sogenannte linke Szene“ habe einen politischen Prozeß gegen zu Unrecht kriminalisierte Antifaschisten herbeigeredet. Bereits vor Prozeßbeginn sei der Rechtsstaat in Frage gestellt und mit Briefen versucht worden, das Gericht unter Druck zu setzen. Angesichts des „neonazistischen Klimas“ genössen die Antifaschisten in der Bevölkerung viel Sympathie, aber, so Eschenhagen: „Sie sollten sie nicht aufs Spiel setzen und sich, wie die Mehrzahl der Angeklagten, von Kaindls Tod distanzieren.“

Wohl selten wurde mit einer derart politischen Vorrede ein Urteil eröffnet – obwohl es sich doch, wie Eschenhagen bemüht betonte, gerade nicht um einen „politischen Prozeß“ gehandelt habe, sondern um einen Mordprozeß. „Es wäre um den Rechtsstaat schlecht bestellt, wenn man Unrecht nach der Art der Menschen, die es trifft, behandelt.“ Dennoch habe der Angriff auf das Treffen Rechtsradikaler im April 1992 vor dem Hintergrund ausländerfeindlicher Gewalt stattgefunden. „Allein die Anwesenheit Rechter im Kiez wurde als Provokation empfunden.“ Folglich könne man von einem minder schweren Fall der Körperverletzung mit Todesfolge ausgehen. Trotz der Mitverantwortung der Angeklagten habe es sich bei der Tötung Kaindls um den „Exzeß des oder der Täter, die hier nicht auf der Anklagebank sitzen“, gehandelt. Und, angesichts dieses Eingeständnisses, noch ein Wort an die Unterstützer: „Eine Welle der Entrüstung würde über uns hereinbrechen, wenn wir im umgekehrten Fall dieses Urteil gegen Rechte gefällt hätten.“

Verteidiger Christian Ströbele verwies nach der Urteilsverkündung erneut darauf, daß der „Skandal des Verfahrens“ kaum aufgeklärt wurde. Angesichts der zu erwartenden Urteile hätte er darauf verzichtet, zu beweisen, wie der Staatsschutz versucht habe, die Tat als Ergebnis eines „Mordkomplotts“ von Antifas darzustellen. Immerhin sei es aber gelungen, die politischen Hintergründe deutlich zu machen. Abidin E., der elf Monate unschuldig in U-Haft gesessen hat, beschrieb den „Deal“, den die Prozeßbeteilgten vor drei Wochen geschlossen hatten, drastischer: „Mit dem Angebot niedriger Strafen wurden wir unter Druck gesetzt, den Mund zu halten.“ Rechtsmittel gegen das Urteil legte keiner der Verteidiger ein. Jeannette Goddar

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