Pädophile Ausnahmen? -betr.: "Enges Landleben", taz vom 10.11.94

Betr.: „Enges Landleben“, 10.11.94

Es ist mir unbegreiflich, wie Ihr einen Film dermaßen unkritisch, positiv, sentimental und verfälschend anpreisen könnt, in dem eine in sanfte Musik und sanfte Bilder verpackte Vergewaltigung eines ca. 11-jährigen Jungen stattfindet. Dieser Film stellt die Liebesfähigkeit eines Jungen auf dieselbe Ebene wie die eines Erwachsenen und legitimiert damit die angedeutete Szene des Geschlechtsverkehrs, bei der natürlich der Erwachsene der Ausübende ist. Diesen Akt auch noch als Befreiung äquivalent zu der Befreiung von den deutschen Besatzern zu suggerieren, ist der Gipfel von Kurzsichtigkeit und Desensibilität. In jedem Hetero-Streifen wäre angesichts einer solchen Szene eine verständliche Welle des Protests durch die Medienlandschaft gezogen, der zugrundeläge, daß in diesem Falle das Mädchen bleibende psychische Schäden davonträgt und so etwas zur Unterhaltung vermarktet wird. Es gelten für den Film „Der verlorene Soldat“ dieselben Maßstäbe und keine dubiosen Ausnahmen. Wenn Ihr schon solche Filme, in denen Kindesmißhandlung zur romantischen Liebesgeschichte modifiziert wird, besprecht, dann seht sie Euch gefälligst an und schreibt in adäquater Form darüber. Schlimm, wenn Ihr den Film wirklich gesehen haben solltet.

Burkhard Friedrich, Hamburg