Nebelkerzen im Rotlicht-Dickicht

■ Prozeß wegen Menschenhandel: Ein zäher erster Versuch Von Uli Exner

Bekommt man das zu fassen? Schwerer Menschenhandel, Förderung der Prostitution, Zuhälterei, Nötigung. Ein juristischer Einbruch ins Rotlicht-Milieu? Ein Keil in die fest geschlossenen Reihen der Dunkelmänner hinter den schillernden Fassaden der Großen Freiheit? Es wird ein Versuch unternommen seit gestern vor der zwölften Strafkammer des Hamburger Landgerichts.

Angeklagt sind Dragomir J. Jens-Holger R. und Oliver J., die in drei St. Paulianer Thaiklubs .... Und da geht es schon los ... was haben sie dort eigentlich gemacht? Ab und zu mal vorbeigeschaut? Die Geschäfte geführt? Die Tänzerinnen dazu gezwungen, sich zu prostituieren? Fragen, denen der Vorsitzende Richter Claus Rabe, seine beiden Beisitzer und zwei Schöffen nachgehen müssen.

Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin hoffen, daß in diesem Prozeß erstmals seit fünf Jahren zwei thailändische Frauen gegen ihre ehemaligen Chefs aussagen werden. Daß sie erzählen, wie sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Hamburg gelockt und hier zur Prostitution gezwungen wurden (siehe taz v. 14.11.). Aber soweit war's gestern noch nicht.

Zu besichtigen war zunächst jene Schweigemauer, die das Milieu im ungewohnten Licht der Öffentlichkeit zu errichten versteht. Versierte Verteidiger, die den Prozeßbeginn schon am vergangenen Montag verzögert hatten. Drei Angeklagte, die zunächst lieber nicht zur Sache aussagen wollen. Die Zeugin S., die sichtlich bemüht ist, die Angeklagten möglichst nicht zu beschädigen: „Drago – guter Mann“. Sie erzählt die freundliche Version der Thai-Prostitution.

Wie sie ganz freiwillig nach Deutschland gekommen ist, über einen Freund, dessen Name ihr nicht mehr geläufig ist. Wie sie sich für Hamburg, „die schönste Stadt“, entschied und beim „Thai-Haus“ anheuerte als Serviererin und Tänzerin. Daß dort auch Dragomir J. von Zeit zu Zeit aufgetaucht sei, der ihr vor Feiertagen gesagt habe, daß sie am nächsten Abend nicht arbeiten müsse. Lohnabrechnung, Krankenscheine, Urlaub, kein Zwang zu gar nichts – „es hat mir gefallen.“

S. ist mit einem deutschen Mann verheiratet, schickt monatlich Geld an die Familie nach Thailand, arbeitet auch heute noch in einem Thai-Club. „Es wird Druck ausgeübt. Davon müssen wir ausgehen,“ sagt Gisela Frederking, Anwältin der Nebenklägerin. Aber das sind Vermutungen. „Wie soll man das beweisen?“ Im Rotlicht-Dickicht.

Ein zweites ist zu besichtigen an diesem Tag: Ein Gericht, das überfordert wirkt. Oder hat es die Probleme dieses Prozesses nur unterschätzt? Dafür spricht, daß Richter Rabe von Verteidigung und Nebenklage darauf hingewiesen werden muß, daß der bestellte Dolmetscher nur sinngemäß übersetzt. Und erst dann feststellt, daß der Übersetzer – als Urlaubsvertretung eingesprungen – bisher noch nie vor Gericht gearbeitet hat. Die Vernehmung muß wiederholt werden, jetzt wörtlich übersetzt.

Das zieht sich. Als sich abzeichnet, daß noch nicht mal zwei der vier geladenen Zeuginnen entlassen werden können, versucht Rabe auf's Tempo zu drücken. „Sagen sie der Zeugin,“ weist er den Dolmetscher an, „daß sie mal ein bißchen schneller machen soll“. Ein Ausbruch, der sich zwangsläufig wieder im zähen Frage- und Antwortspiel verliert. Zu sehr differieren die Aussagen der Tänzerinnen mit jenen, die die Polizei zu Protokoll genommen hat. „Das weicht zu 100 Prozent ab“ stellt Rabe ärgerlich fest. Ob das vielleicht auch an der Art und Weise liegt, in der diese Aussagen nach der Schließung eines Thai-Klubs zustande gekommen sind, bleibt offen.

Ein Indiz zumindest liefert die zweite Zeugin, L., : Es sei Dragomir J. gewesen, der ihr in Thailand den Flug nach Deutschland vermittelt habe.

Der Prozeß wird fortgesetzt.