Oben ohne, aber mit Würde

■ Neu im Kino: „Let's Talk About Sex“, gezähmte Erotik in den Filmen von Lizzie Borden, Monika Treut und Clara Law

Die Idee kam aus Hollywood: Filmproduzent Brandon Chase spürte, daß die Zeit reif ist für ein neues, weil weibliches Rotlichtdämmern. Ein Jahr lang suchte er in der Welt nach Filmemacherinnen, die erotische Phantasien in Celluloid verschenken. Aus mehr als 100 Filmen wählte er die Exposées von Lizzie Borden, Monika Treut und Clara Law aus und formierte sie zu dem eineinhalbstündigen Dreier „Let's Talk About Sex“, wobei das Wie und Was der Gespräche gänzlich Hollywoods Supervision unterlag. Was ist dabei herausgekommen?

Jedenfalls nicht das, was der PR-Text als Climax intellektualis formuliert: „Drei Episoden setzen sich mit dem komplizierten Geflecht menschlicher Beziehungen auseinander.“ Da entweicht doch der Lust die letzte Luft, aber halt, die drei Episoden sind spannender:

In Lizzie Bordens „Let's talk about Sex“ träumt Rosie vom großen Durchbruch als Schauspielerin. Die einzigen Angebote, Nebenrollen als Nutte und Bardame, lehnt Rosie strikt ab, sie hält sich ohnehin schon mit Telefonsex über Wasser. Das plätschert so vor sich hin, obgleich in Rosie die Wellen der Phantasie hochschlagen. Zufällig erwischt sie einen Mann, der die Klischees vom blonden dickbusigen Kußmaul ebenso haßt. Mit ihm begibt sich Rosie in den selbstangelegten Garten der Lüste _ und gerät so tief ins Labyrinth von Macht und Ohnmacht, daß sie ihren Anonymus sehen will. Sie verfällt ihm, bleibt jedoch stets Herrin der Lage.

Nicht anders in Monika Treuts „Taboo Parlor“: Claire, eine erfolgreiche Börsenmaklerin, schenkt ihrer Geliebten Julia ein Augenzwinkern, als diese mal wieder einen Mann haben will. Auf der Suche nach dem Prachtexemplar geraten sie auf ein Schiff, auf dem Marianne Sägebrecht peitscheschwingend junge Männer im Standardtanz unterweist. Zwischen diesen steht Viktor, ein cooler Dreitagesbart. Die Damen zerren ihn in den Bus, wo dreißig lechzende Hafenarbeiter dem Vorspiel folgen. Im heimischen Bett aber wird der Mann von einem Dildo niedergestreckt. Da geht er hoch, explodiert, freilich unter weiblicher Kontrolle.

In „Wonton Soup“ von Clara Law zwingt Ann ihren Geliebten Adrian zu einem Parforceritt durch die Fauna der chinesischen Liebeskünste. Er macht ihr die Motte, den Esel, die Ziege und kocht sogar Fisch, um bleiben zu dürfen. Doch die 30 Stellungen des „crashkursus in fernöstlicher Lebens- und Liebensart“ verschwitzen in einem einzigen Gestoße. Trotzdem behält die Frau die Oberhand.

Nicht zuletzt deswegen präsentiert „Let's talk about sex“ sehenswerte Beziehungsgeflechte. Ausgestattet mit Hintersinn und Humor, wenn auch zahmer als erwartet. Hollywood hätte gern mehr T&A (Tits and Ass) gehabt, offenbarte Monika Treut, „Singapur, Korea und trallala, überall wollen sie Titten.“ Oben ohne, aber mit Würde, lautet dagegen ihre Devise, die durchzusetzen „hart war“. Doch offensichtlich haben die Frauen im Film wie in Wirklichkeit den Kampf um die Würde gewonnen. Dora Hartmann

Zwei Kinos präsentieren ab heute das Filmpack: Filmstudio: tägl. 18 und 20.30 Uhr, fr. und sa. auch 22.45. Schauburg: tägl. 18 Uhr