Nachschlag

■ Jüdische Kulturtage: Susanne Weinhöppel bei den Vaganten

Deutschland ist ein weites Feld, und ein „Heimatabend“ kann alles mögliche sein. Die Chanson-Sängerin Susanne Weinhöppel hat aus ganz verschiedenen Texten und Liedern ihren „ganz persönlichen Heimatabend“ zusammengestellt. „Gut Schabbes, Heimat“, ist ein Potpourri aus kabarett-notorischen und so gut wie unbekannten Stücken. Der Liederabend aus dem Münchner „Theater links der Isar“ (Regie: Sabine Volke) läuft jetzt als Gastspiel im Rahmen der Jüdischen Kulturtage in der Vaganten Bühne. Entstanden sei er aus dem „Nachdenken über die Situation der Juden in Deutschland“, sagt Susanne Weinhöppel, eine deutsche Jüdin aus München. „Wenn mit das Deutsche emotional nicht ausreicht, kann ich ins Jiddische wechseln.“ Und so gibt es neben den obligatorischen Stücken von Brecht, Tucholsky und Biermann auch ein halbes Dutzend jiddische Lieder zu hören, von „Sog nit kejnmol“, dem Lied zum Aufstand im Wilnaer Ghetto, bis zu den verzweifelt lustigen „Zen Bridern“.

Susanne Weinhöppel vermeidet jedes Pathos. Ihre Stimme hat kein sehr großes Volumen, und vielleicht singt sie deshalb so verhalten und fast zu kultiviert. Brechts bittere „Ballade von der Judenhure Marie Sanders“ wirkt in ihrem Mund gar zu zahm. Komische Stücke geraten ihr dagegen wunderbar – etwa Tucholskys „Trunkenes Lied“ vom Igel, der schleunigst in den „Deutschen Reichsigelverband“ muß, aber kein Abendessen kriegt, weil Messer und Gabel sich schon zum „Reichsverband der Deutschen Bestecke“ abgesetzt haben. Ihre gequetschte Igelstimme ist so unwiderstehlich wie die atemlose Wiedergabe des „Rap“ von Elke Heidenreich über das Land, in dem es Nazis und AKWs gibt und keine Badetücher ohne Muster. Den „Rap“ begleitet sie durch rhythmisches Klopfen auf ihrem Instrument. Weinhöppel ist wohl die einzige Chanson-Sängerin in Deutschland, die ihre Lieder auf der Harfe begleitet. Um die oft einfältigen Begleitungen aufzulockern, fügt die ausgebildete Konzertharfenistin immer wieder kleine virtuose Variationen ein.

Hinter ihr stehen auf einem Kasten ein Porträt, zwei Kerzen und ein paar Bücher – bescheidene Requisiten, die tatsächlich eine intime Atmosphäre schaffen. Ab und zu nimmt sie ein Buch heraus und liest: Texte von Josef Roth, Tucholskys berühmten Essay über „Heimat“, und „Esperanto“, das sie selbst geschrieben hat. Darin beschreibt sie das allzu vornehme, mißbilligende Schweigen zu rechtsradikalen Sprüchen. Und fordert: „Man muß auch mal: ,Halt's Maul!‘ sagen können!“ Miriam Hoffmeyer

Noch heute und morgen, 20 Uhr, Vaganten Bühne, Kantstraße 12a, Charlottenburg.