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Radioaktive Stoffe lagern im Stadtbrunnen

■ Im nordchinesischen Harbin wurden 240 Tonnen strahlender Abfall geborgen / Firmen ist die sichere Entsorgung oft zu teuer / Umweltbehörden sind machtlos

Peking (AP/taz) – 240 Tonnen radioaktiver Abfall lagerten zwanzig Jahre lang in Brunnenschächten und Gruben im Zentrum der nordchinesischen Großstadt Harbin. Jetzt haben Mitarbeiter von Umweltschutzbehörden sie geborgen. Die amtliche Pekinger Jugendzeitung Qingnian Bao berichtete gestern, von dem Abfall seien beträchtliche Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung ausgegangen. Ob es Erkrankungen gegeben hat, wurde nicht erwähnt.

Der Abfall stammt aus einem Rüstungsbetrieb. Das Blatt schreibt, örtliche Umweltschutzfunktionäre bemühten sich seit Jahren um die Erschließung geeigneter Lagerstätten. Doch die Betriebe, aus denen gefährlicher Abfall kommt, lehnen die Finanzierung mit der Begründung ab, sie hätten kein Geld.

So weigert sich etwa ein Goldbergwerk, in dem Tausende Tonnen radioaktiven Thoriums angefallen sind, den Müllberg abzutragen oder auch nur mit Mauern zu umgeben. Ein Funktionär verwies darauf, daß solche Betriebe gesetzlich verpflichtet seien, für geeignete Lagerung zu sorgen. Aber es gibt offensichtlich niemanden, der sie dazu zwingen könnte.

Umweltbehörden und -schützer haben in China einen schweren Stand. Erste Strahlenschutzverordnungen über Transport und Lagerung wurden zwar bereits 1979 erlassen. Doch zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommt es selten. Nach Ansicht von Beobachtern werden die Täter nicht belangt, weil sie sich auf die Protektion politisch oder wirtschaftlich einflußreicher Personen berufen. Wenn Strafen verhängt werden, handelt es sich oft um niedrige Geldbeträge.

In der Vergangenheit hat es immer wieder Berichte über die allgemeine Sorglosigkeit im Umgang mit radioaktivem Material gegeben. So versprachen zwei Mitarbeiter eines Metallforschungsinstituts Mitte der achtziger Jahre den Funktionären von Tangxian in der Provinz Hebei Gelder für Dorfentwicklungsprojekte und durften im Gegenzug 25 Tonnen schwach radioaktiven Institutsabfall im Brunnenschacht des Dorfes versenken. In diesem Fall wurden zwei der Verantwortlichen gerichtlich bestraft. Im Februar 1993 wurde bekannt, daß drei Menschen starben und mehr als 90 erkrankten, nachdem sie von radioaktivem Kobalt 60 verstrahlt worden waren. Bauern hatte Brocken des „entsorgten“ Materials aus einem Brunnen gefischt. Radioaktive Abfälle aus Rüstung und Industrie sollen vor allem in Tibet und im chinesischen Nordwesten in großen Mengen verscharrt werden, heißt es. Eine internationale Überprüfung dieses Vorwurfs läßt die chinesische Regierung jedoch nicht zu. li

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