: Entwöhnungskur für Auto-User
■ CarPool-System macht den Besitz von Privatwagen jetzt auch in Hamburg für LufthanseatInnen überflüssig / Andere Flughafen-MitarbeiterInnen profitieren ebenfalls davon Von Florian Marten
Es muß nicht immer ein Privat-PKW sein: Mit 30 Opel Corsa begann am 1. November am Hamburger Flughafen eine äußerst vielversprechende Autoentwöhnungskur für MitarbeiterInnen der Lufthansa AG. Das Lufthansa-System CarPool, seit fünf Jahren in München und Frankfurt erfolgreich, kann nun auch in Hamburg seine positive Wirkung in Sachen Auto, Parkraum und Abgas entfalten. Erste Erfolge gibt es schon: Einige Lufthansa-Mitarbeiter haben ihre Privatautos bereits abgemeldet.
Die Grundidee ist bestechend einfach: Statt eines eigenen PKW, der gewöhnlich 23 Stunden täglich stillsteht, werden Autos gemietet, wenn man sie wirklich braucht. Neben den herkömmlichen Mietwagenunternehmen hat sich in den letzten Jahren das „Car-Sharing“, der gemeinschaftliche Besitz von Autos, in Deutschland ausgebreitet. Stattauto Berlin mit heute 1400 Teilnehmern und 80 Autos, verteilt auf 20 Standplätze in ganz Berlin, ist das größte und erfolgreichste Unternehmen dieser Art. Mit einer Einlage (1300 Mark in Berlin, 1000 Mark bei Stattauto Hamburg), einem Monatsbeitrag (10 Mark in Berlin, 20 Mark in Hamburg) und ausgesprochen günstigen Mietpreisen ist man mit von der Partie.
Der Lufthansa CarPool schlägt mit seinen bislang 12.000 Teilnehmern und knapp 800 Fahrzeugen allein in München und Frankfurt die Stattauto-Konzeption schon von der Größe her. Noch erstaunlicher ist jedoch die finanzielle Seite: Mit etwa 20 Pfennig pro Kilometer Opel Corsa (34 Mark inkl. Vollkasko und 120 Kilometer pro Tag) schlägt das CarPool-System nicht nur jedes Stattauto-Modell, sondern auch fast jede Privat-PKW-Kalkulation, die selbst bei individuellem Unterschreiten der ADAC-Kalkulation (Corsa deutlich über 40 Pfennig) noch höher liegt. Anders formuliert: Selbst wer 20.000 Kilometer im Jahr brettert und fast täglich mit dem Auto unterwegs ist, kommt mit dem Lufthansa-Gefährt günstiger weg.
Dabei ist das Lufthansa-Modell, abgesehen von einer Anschubfinanzierung für den Wagenpark, kostendeckend kalkuliert. So wird der Hamburger Fahrzeugpark nicht allein den 7500 LufthanseatInnen in Werft und Flughafen angeboten, sondern – gegen einen minimalen Aufpreis – auch den anderen Beschäftigten des Hamburger Flughafens. Für Bequemlichkeit ist gesorgt: Gebucht werden die Autos in Hamburg bei Eurocar im Terminal 4, in Kürze wird ein Fahrzeugpapier-Automat sogar die Buchung per Kennzahl ermöglichen. Ein intelligentes, eigens für die Lufthansa entwickeltes Meßsystem notiert Tankfüllung und Kilometerstand automatisch beim Losfahren und Zurückfahren, die Rechnungsbeträge werden abgebucht.
Schwachstellen an dem System kann der Hamburger Betriebsrat Heinz Herrmann, verkehrspolitisch seit Jahren engagiert (vor allem in der Fahrradförderung), nicht entdecken: „Ich hab' mein Privatauto schon stillgelegt.“ Auf den ersten Blick, so meinen einige Kritiker der Stattauto-Modelle, werde der Autoverkehr durch derartige Systeme nicht geringer – allenfalls die Zahl der Fahrzeuge sinke. In der Praxis aber hat sich Car-Sharing längst als wohl wirksamste Auto-Entwöhnungsdroge erwiesen. Wer vor jeder einzelnen Fahrt einen Mietvertrag schließt – und sei der Preis noch so niedrig – wird in seinem Verkehrsverhalten vernünftiger. Die Stattauto-Organisatoren in Berlin und Hamburg können längst ein Lied davon singen: Ihr Hauptproblem ist, daß die Autos zu wenig benutzt werden. Ein durchschnittlicher Stattautomobilist in Berlin kommt derzeit auf gerade mal 13 Fahrten und 2330 Kilometer pro Jahr – die Autos werden hauptsächlich für Ausflüge und Urlaubsreisen genutzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen