■ Kinkel will halb Berlin abreißen: Neues vom Hofe
Wer annimmt, daß sich Politiker in Menschenrechtsfragen bescheißen lassen, hat sich geschnitten. Wahr ist, daß Politiker, so knapp sie auch gewählt sein mögen, über den Dingen stehen und kraft ihres Status als Sondermenschen bestimmte Grundgesetz- Artikel bis zum get no auf sich beziehen. Jüngstes Beispiel für entsprechende Selbstanwendung: Kokanzler und Mandat-Mitesser Klaus Kinkel (FDP), dem es eh dauernd um die Menschen geht, wie er stets mit Nachdruck versichert. Daß er damit vorwiegend die Beamten des Außenministeriums inklusive seiner Gewichtigkeit meint, merkt man spätestens, wenn's ihn nach repräsentativen Kopfbauten mit Blick auf Berliner Plätze verlangt. Dann kommt er so richtig aus dem Kittel (natürlich nur der Menschen wegen, deren Name mit „K“ anfängt und mit „inkel“ aufhört): „Es geht nicht an, daß der Außenminister im Hinterhof des Ex-Staatsrates amtiert“, nölte ein in derartigen Menschenrechtsfragen vorgeschobener Beamter aus Kinkels Stall. Grund: Schließlich erhalte auch der Kanzler einen angemessenen Neubau. Für Klaus Dünkel Grund genug, daraus das Anrecht auf seine Unterbringung in einem neu zu bauenden Außenministerium auf der Spreeinsel abzuleiten – selbst dann, wenn das unter Denkmalschutz stehende Ex-Staatsratsgebäude im Weg ist. Die Gesinnung, die dabei durchschimmert, läßt sich nur noch mit Konrad Lorenz und Sigmund Freud entschuldigen. Aber weil bekanntlich immer nur zählt, was hinten rauskommt (Freud/Kohl), bleibt: Wenn Durchlaucht nicht aus dem Fenster blicken kann, muß eben die halbe Stadt abgerissen werden.
Woran man wieder mal sieht, daß Kinkel seine Hausaufgaben gemacht hat. In Hauptstadtfragen gilt heute wie vor zweitausend Jahren: Von Nero lernen heißt regieren lernen. Peter Lerch
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