■ Helge Schneider über Philosophie und Umweltschutz:
: „Es geht auch ganz ohne Seife!“

Am 12. Dezember läuft Helge Schneiders zweiter Film, „00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter“, an. Sein zweites Buch, der Krimi „Zieh dich aus, du alte Hippe“, ist im Spätsommer erschienen. Alle lieben ihn, und keiner nimmt ihn ernst. Helges größte Angst ist es, zum größten Blödelbarden der Nation zu geraten, denn er kann natürlich auch anders ...

taz: Deine Bühnentexte, Lieder, Hörspiele, Bücher und Filme handeln ja auch von existentialistischen Themen, wie Krankheit ...

Helge Schneider: Ja.

Tod ...

Ja.

Sex ...

Ja.

... Verdauung, Essen, Ekel. Gibt es da einen theoretischen Hintergrund? Sartre? Camus?

Kenn' ich nicht. Adorno, Horkheimer, Marcuse – habe ich nicht gelesen. Karl May habe ich gelesen – alle Bücher.

Aber du kennst die Lehrer der Frankfurter Schule.

Durch den Jazz.

Wie bitte?

Meine Bekannte hat mal Sozialwissenschaften studiert. Und da muß man Habermas und Horkheimer natürlich kennen. Und Horkheimer gefiel mir ganz gut.

Aha, damit ihr euch besser versteht, hast du die auch heimlich gelesen?

Nein. Ich fand die Fotos immer klasse. „Der Philosophische Hintergrund“ ... so was habe ich nie gelesen. Das braucht man auch nicht. Da bin ich mir hundertprozentig sicher, daß man das nicht lesen muß. Philosophie ist eine sehr persönliche Sache. Was soll ich da in Büchern drüber lesen? Wäre in einer Mußestunde vielleicht ganz interessant, die habe ich aber nicht. Man lernt auch so. Dauert aber länger.

Und Ernst Blochs „Woher kommen wir, wohin gehen wir“?

Ach so, du meinst die Geschichten, die ich manchmal so erzähle. Nee, Ernst Bloch habe ich auch nie gelesen. Wie gesagt, ich fand die Typen immer gut wegen ihres äußeren Erscheinungsbilds. Das sagt mir eigentlich alles. Heinrich Böll auch. Den ich finde ich nicht so gut wie Ernst Bloch. Ist wahrscheinlich langweiliger. Dafür finde ich Herbert Wehner wieder besser oder Willy Brandt. Wim Thoelke finde ich übrigens auch sehr interessant.

Findest du, der sieht gut aus?

Wim Thoelke? Für mich ist das nach wie vor der beste Fernsehmacher: behend-salopp. Der ist auch aus Mülheim.

Und hat in Duisburg das Abitur gemacht. Hast du auch das Abitur gemacht?

Nee, brauche ich ja nicht.

„Der Zyniker ist ein Moralist. Er will die Welt gut, doch sie ist schlecht“, können wir bei Tucholsky lesen. Bist du demnach ein Zyniker?

Furchtbar! Das ist zu einseitig. Zyniker ist ein Beruf und ein Typ, der sich selbst nicht leiden kann. Das ist was Böses. Was war deine Frage?

Ob du nach Tucholsky ein Zyniker bist. Soll ich dir den Aphorismus noch einmal vorlesen?

Nee, brauchst du nicht. Der sagt, „der will die Welt gut, doch sie ist schlecht“. Das ist mir zu dumm. Ich weiß, daß die Welt schlecht ist. Aber deshalb will ich sie noch lange nicht gut wollen. Ich will sie schlecht. Und das ist gut. Krieg und so ist natürlich alles ganz schlimm. Oder wenn in Amerika einer auf dem elektrischen Stuhl landet. Das erscheint einem übrigens noch viel schlimmer als ein Krieg, wo 100.000 sterben. Das ist alles ziemlich schlecht. Aber wir leben hier mittendrin. Und wir sind die Schlechtesten, unheimlich schlecht. Aber man kann gegen seine eigene Schlechtigkeit überhaupt nix machen. Man kann da nur drüber lachen. Was soll man dazu sagen? Man kann sagen, ja, die Serben zum Beispiel sind aber sehr schlecht! Was sind das für Menschen? Die spielen Krieg wie wir früher mit der Erbsenpistole. Daß heißt, da sind Männer, irgendwelche Arschgeigen, die im Dschungel irgendwelche Klubs haben. Wie im Film „Dienst in Vietnam“. So kommt einem das schon vor. Das ist ein Krieg, der gar nicht hätte sein müssen, wenn man das jetzt mal logisch überträgt. Das hat überhaupt keinen Sinn. Und so andere Sachen, so wie mit Irak oder so, das hatte ja noch irgendwie einen Sinn. Der eine macht es wegen Geld, der andere wegen Ansehen oder wegen Religion. Im Grunde machen es alle wegen Geld oder weil sie dazu angestiftet wurden – von ihren eigenen Feinden. Das ist ja eine totale Verworrenheit. Aber was da los ist ... Und was hier los ist, weiß der Geier. Wie das mal hier wird, ich weiß es nicht. Wir wiegen uns ja unheimlich in Sicherheit. Weil: Das ist ja auch das sicherste Land hier anscheinend, und das reichste und am meisten zu essen, und wir können es uns leisten, auf einmal Möhren zu essen, die nicht chemisch großgezogen wurden. In anderen Ländern ist das völlig indiskutabel. Also können wir hier 'ne unheimliche Show machen mit Umwelt und alles, auch mit Katalysator. Immer mehr Autos – mit Katalysator! Ich fahre ja auch Autos ohne Katalysator.

Wirklich?

Ich denke einfach, man muß es ja nicht übertreiben. Die Leute, die sich jedes Jahr einen neuen Wagen kaufen, haben ein reines Gewissen. Aber jedes Jahr wird ein neuer Wagen gebaut dafür – und das ist ja gehopst wie gesprungen. Oder überhaupt, da benutzen Leute Sprays in Massen ohne FCKW und Haarmittel und Waschmittel und alles, aber daß das alles auch ganz ohne geht, ganz ohne Seife ...

... ohne Deo!

... ohne Sprays – ohne alles! Die haben ihr Badezimmer vollstehen mit so einer Scheiße, alles ohne FCKW, aber in Riesenaufkommen. Das kapier' ich nicht. Ich stehe da nicht drauf. Aber was war jetzt deine Frage noch einmal? Ob ich ein Zynist bin?

Ja.

Nee, ich sehe mich nicht so. Außerdem kenne ich ja nicht soviel von Tucholsky. Irgendwie mag ich den nicht (rülpst). Ich mag auch Zille nicht.

Heinrich Zille? Der hat aber doch gute Fotos gemacht.

Ja, den mag ich schon, stimmt. Nee, ich mag einfach diesen Kult nicht, der damit gemacht wird wie mit Tucholsky. Der ist ja auf einmal vor längerer Zeit wiederentdeckt worden. Das ist ja furchtbar – die Leute, die das gut finden! Und dann so harmlos, ohne Ende langweilig.

Weißt du, was das Publikum von dir will?

Ja, was wollen die? Jeder will was anderes. Ein paar wollen Autogramme, viele wollen umsonst rein.

Weißt du, wer dein Publikum ist?

Nicht immer. Man kann nur immer Stichpersonen ermitteln. Einzeln sind die Leute immer anders als in der Masse. Aber ich freue mich über jede Oma, die unser Programm besucht und sich kaputtlacht. Das ist für uns ein schönes Gefühl, wenn eine reife Frau von 70 Jahren da sitzt und das versteht. Interview: Thomas Ferner