■ Tour d'Europe
: Zwingendes Geschäft

„Haben Sie etwas anzumelden?“ Wie immer schüttelten wir den Kopf. So ganz beiläufig erkundigte sich der junge französische Zollbeamte: „Und wo sind die Zigaretten versteckt?“ – „Im Tank“, spottete mein Mann. „Fahren Sie bitte rechts raus“, lautete die coole Antwort, die das Ende eines Kurzurlaubs bedeutete. Zu viert schraubten sie den Bus auseinander bis er aussah wie ein Skelett. Sie fanden nichts, weil es nichts zu finden gab.

Dann war Schichtwechsel, und die neue Mannschaft dachte nicht im Traum daran, aus dem Gehäuse, einem Berg Schrauben und diversen Einzelteilen einen Bus zu machen. Statt dessen wurden wir abgeschleppt, verbrachten das Wochenende auf dem trostlosen Parkplatz einer Autowerkstatt, und die Rechnung haben wir auch bezahlt. Seitdem schmuggelte ich, was ich konnte. Wenn ich rüber fuhr, gaben mir Freunde Einkaufslisten mit. Doch jetzt ist das Spiel aus. Nicht, daß ich geschnappt wurde. Von mir ist keine der 624 Millionen Zigaretten oder nur ein Gramm von den 87.000 Kilo Kaffee, die 1993 beschlagnahmt wurden. Das Problem liegt woanders. Kein Zöllner steht da mehr mit bohrendem Blick und beiläufiger Stimme, die Grenzanlagen sind verwaist, die EU hat zugeschlagen. Neulich erst sah ich einen Schweden weinen, weil sein Land nun in der EU ist. Jetzt ist die Grenze überall, erklärt man mir. Mitten im Land kann einer zu mir sagen, steigen Sie aus, Ihr Bus ist verdächtig. Das ganze Gefühlswechselbad von Anspannung, Spannung und Erlösung, das einen jedesmal beim Passieren der Grenze mit Schmuggelgut überfiel, ist dahin.

Aber viel wahrscheinlicher, als daß ein Zollbeamter im Parker verkleidet mir nachstellt, ist wohl, daß die Mafia meinen unkontrollierten Einzelhandel nicht duldet. Meine neuen Freunde vom Polenmarkt sind auch schon in den Untergrund gegangen. Seither ist der Markt von asiatisch disziplinierten Menschen übernommen worden. Den preisbewußten Rauchern ist das egal – Hauptsache, sie kriegen ihre Zigaretten möglichst billig.

Doch nicht nur auf dem Zigarettenmarkt sind die Differenzen zwischen dem Sachwert und der Versteuerung so enorm, daß Schmuggel zwingend ein Geschäft auch für die oberen Zehntausend der Kriminellen wird. Alles, was verboten ist, wird kostbar. Waffen, vom einfachen Maschinengewehr bis zur MIG, die Mafia hat alles. Nukleares Material, die Atombombe muß nur noch gebaut werden.

Doch auch Lebendes ist von Interesse: Frauen, Tiere, Pflanzen. Die letzteren beiden Gruppen werden durch das Washingtoner Artenschutzabkommen besonders gehegt und bringen den Schmugglern gerade deshalb jährlich weltweit runde fünf Milliarden Dollar an Umsatz. Sie dürfen nicht aus ihren Ursprungsländern ausgeführt werden, werden so millionenfach geschmuggelt und sterben versteckt in Koffern und Kisten. Die Abnehmer der noch lebendigen Tiere zahlen Preise, bei denen die Schmuggler trotz aller Verluste gut auf ihre Kosten kommen.Gabi Trinkaus