Die Gentlemen lassen bitten

■ Es führen viele Wege nach Bonn: Frauen – Politik und Karriere

Die Tränen der Enttäuschung, die Irmgard Schwaetzer vergoß, als nicht sie, sondern ihr Parteikollege Klaus Kinkel den begehrten Posten des Außenministers erhielt, kamen die FDP-Politikerin teuer zu stehen. Ihr unaufhaltsamer Abstieg begann in dem Moment, als sie sich vor laufenden Kameras schneuzte. Denn Gefühle, gar noch öffentlich zur Schau getragene, haben nun mal in der political community nichts verloren.

Aufstieg und Fall der Irmgard S. sind symptomatisch dafür, wie schnell Frauen in Bonn an Grenzen stoßen, wenn sie es wagen, Machtbewußtsein oder gar Ehrgeiz zu demonstrieren. Charaktereigenschaften, die die meisten erfolgreichen männlichen Politiker auszeichnen, werden bei Frauen als Makel empfunden. Wie schwer es die Kämpferinnen in der Politik haben und wie es Frauen dennoch gelegentlich gelingt, in Bonn Karriere zu machen, beschreibt Cathrin Kahlweit in ihrem Buch „Damenwahl“. Von Renate Schmidt bis Rita Süssmuth hat die Redakteurin der Süddeutschen Zeitung mit Politikerinnen aller Fraktionen gesprochen und deren Lebensläufe nachgezeichnet. Ihr Interesse galt den Ungeliebten und den Beliebten, den Bescheidenen und den Kratzbürsten – nur eines sollten sie sein: „erfolgreiche Angepaßte“ – Frauen, die es geschafft haben, sich in der Bonner Männerwelt durchzusetzen.

Karriereplanung findet bei Politikerinnen kaum statt. Wie soll eine auch planen, wenn sie in erster Linie eines braucht: Glück. Männer dienen sich hoch oder werden von wohlwollenden „Vätern“ gefördert. Frauen hingegen sollten sich besser nicht nach Ämtern drängen, sondern hübsch bescheiden abwarten, bis sie gefragt werden. Selbst Deutschlands erste Ministerpräsidentin, Heide Simonis, die früh gelernt hat, mit den Herren Kollegen in den Hinterzimmern zu kungeln, behauptet, nur deswegen so weit gekommen zu sein, weil sie in den entscheidenden Momenten „in der Landschaft rumstand, wenn die Partei dringend eine Frau suchte“.

Denn wie Frau auch immer versucht, ihre Karriere einzufädeln, sie kann es nur falsch anfangen: Engagiert sie sich für Frauenbelange, wird sie von ihren männlichen Kollegen nicht unterstützt und anerkannt. Tut sie sich auf einem bestimmten Fachgebiet der Politik hervor, könnte sie Männern gefährlich werden – also muß sie ausgebremst werden. Und die feminine Generalistin schließlich hat erst recht keine Chance, weil sie nicht ernst genommen wird.

Was Wunder, daß so häufig die unangenehmen Jobs an Frauen hängen bleiben. Als Generalsekretärin oder Geschäftsführerin ihrer Partei müssen sie von allen Seiten Prügel einstecken – oder sie werden als Zählkandidatinnen in aussichtslose Rennen geschickt. Mit bemerkenswertem Mangel an Feingefühl ließen zuletzt die Sozialdemokraten ihre Kandidatin Anke Fuchs gleich zweimal bei der Wahl zum Bundestagspräsidium antreten und verlieren. Um so erstaunlicher, daß die Frauen in Kahlweits Buch, auch wenn sie sich behandelt fühlen „wie ein Putzlumpen“ (Schmalz-Jacobsen), kaum böse Worte für die Herren Kollegen finden.

Was aber hat sich in Bonn überhaupt verändert, seit die Mütter des Grundgesetzes erfolgreich um die Verankerung des Artikel 3 kämpften? Immerhin ist ein Viertel der Abgeordneten des neuen 13. Bundestages weiblich, ein Kabinett ohne Ministerinnen könnte sich kein Kanzler mehr leisten. Doch wo Männer selbstverständlich Seilschaften bilden, haben Frauen – obwohl sie zahlreicher werden – noch Berührungsängste. Zum Thema Frauensolidarität jedenfalls äußern sich die befragten Politikerinnen eher ausweichend und einsilbig. Mentorinnen, die jüngere Kolleginnen gezielt fördern, scheint es nicht zu geben. „Frauen sind heute ein Machtfaktor, aber das hat keine Veränderung der Parteien gebracht“, bemerkt Annemarie Renger.

„Damenwahl“ ist kein Karriereratgeber für die aufstrebende Jung-Politikerin. Das Buch zeichnet ein faszinierendes Portrait einer ganzen Politikerinnengeneration. Bei ihren Erkundungen im Raumschiff Bonn hat Cathrin Kahlweit Banales und Erstaunliches zutage gefördert und amüsant beschrieben. Die typische Berufspolitikerin hat sie genauso wenig gefunden wie die Frau, an der all die Kränkungen und Demütigungen der Jahre so einfach abgeprallt wären. Nach Bonn, zeigt Kahlweit, führen etwa so viele Wege, wie es Parlamentarierinnen gibt. Und mit Hilfe der Frauen, die genauso offen über ihre großen und kleinen Triumphe wie über ihre Enttäuschungen und Verletzungen reden, ist Kahlweit eine sehr dichte, atmosphärische Innenansicht dessen gelungen, was sich Politik nennt. Diemut Roether

Cathrin Kahlweit: „Damenwahl – Politikerinnen in Deutschland“. Beck'sche Reihe, 180 Seiten, 17,80 DM