Geniale Kampfsau Hollerbach

■ FC St. Pauli gewinnt 3:1 gegen den Mainzer Karnevalsverein

Die närrische Jahreszeit hat zwar erst vor gut einer Woche begonnen, doch für die fastnachtserprobten Spieler von Mainz 05 war schon gestern nachmittag die fünfte Jahreszeit beendet, ehe sie so recht begonnen hatte. Aschermittwoch an einem tristen Novembersonntag – so kann's laufen, wenn es in den hohen Norden geht. Doch schlimmer als der Schaden – die 1:3-Niederlage beim FC St. Pauli – war der Spott, für den die Gäste nicht extra sorgen mußten. „Ihr seid nur ein Karnevalsverein“, skandierte am Ende das Gros der 18.000 Zuschauer, was der Leistung der Mainzer nicht ganz gerecht wurde.

Aber geht es beim Fußball um Gerechtigkeit? Um das bessere Argument, das sich am Ende durchsetzt? Man könnte ja mal Bernd Hollerbach fragen, was er vom rationalen Diskurs a la Jürgen Habermas hält. Doch ist zu vermuten, daß der sich lieber an Fakten orientiert. Und die waren beim zehnten Pauli-Spiel nacheinander ohne Niederlage eindeutig: erstes Foul nach 20 Sekunden, erster Disput mit dem Schiedsrichter kurz darauf. Doch wen stört das wirklich, wenn der Mann, der in drei Wochen 25 Jahre alt wird, den entscheidenden Treffer nach gut einer Stunde erzielt? Selbst wenn ihm das 3:1 nicht gelungen wäre, hätte sich niemand beschwert. Wie gesagt: Gesabbelt wird woanders, das Millerntor ist kein Platz für Zartbesaitete.

Andererseits ist Hollerbach auch einer der wenigen im erfolgreichsten Team der zweiten Liga – nach 16:4-Punkten in Serie ist der FC schon Dritter –, der einen Paß über mehr als zwei Meter zum eigenen Mann spielen kann. Manndecker André Trulsen ist dazu beispielsweise nicht in der Lage. Einem Grobmotoriker wie ihm würde nie ein technisches Schmankerl gelingen wie Libero Dirk Dammann beim Führungstreffer in der 25. Minute: Ball aus der Luft stoppen, vorlegen, abziehen – und treffen. Vielleicht ist dies das Geheimnis des Erfolges: Zwei, drei Techniker im Kader, die im Notfall auch mit anpacken, und die übrigen tun das, was sie am besten können – ackern.

Eine Mischung – fleischgeworden in der genialen Kampfsau Bernd Hollerbach –, mit der die Mainzer nicht zurechtkamen, zumal sie vorwiegend den dezenten Kurzpaß pflegten. Außer nach dem Ausgleich durch Neustädter (37.) blieb ihr schönspielerisches Treiben zwar ansehnlich, doch letztlich erfolglos. Gefährliche Freistöße und Kombinationen über mehrere Stationen waren am Ende für die Katz. Wie auch beim erneuten Führungstreffer durch Martin Driller kurz nach der Pause, als sich die Gäste nicht dazu entschließen konnten, den Ball einfach wegzuschlagen.

Dabei und bei den beiden anderen Treffern machte 05-Torwart Tom Eilers eine zweifelhafte Figur: Die Kugel landete immer aus größerer Distanz im linken unteren Eck. Den Paulianern war das schnuppe, drin ist drin. Halbe Sachen gibt's am Millerntor eben nicht. Clemens Gerlach