■ Schöner Leben: Stille, tiefe Glotzen
Das Zeitalter des Wassermanns zeigt Wirkung: Wie spannend ein Aquarium sein kann, bewies vor kurzem ein Fernseh-Testbild, das der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg nach Programmschluß auf dem Bildschirm zeigte. Das Bild brachte eine Zuschauer-Höchstquote von 37,5 Prozent, während der davor gesendete Spielfilm bei lächerlichen 13,9 Prozent herumdümpelte.
Ist das nun der Charme der Armut, den Lafontaine kurz nach Grenzöffnung in der alten DDR ausmachte, oder sind die neuen Bundesländer rein fernsehtechnisch gesehen ein Drittweltland, dem man ein Aquarium für ein TV vormachen kann? Wahrscheinlicher ist, daß Fische schlicht spannender sind als das Fernsehprogramm. Das habe ich schon immer geahnt. Ich erinnere, daß schon das erste Luxusgut, das Einkehr in unser Heim hielt, etwas mit Wasser zu tun hatte: Es war rund und roch nach Fichtennadeln. Papa bekam eine ganze Brausetablette ins Badewasser, wir Kinder eine halbe. So konnten wir uns auch den Salzstangenhalter leisten, bevor uns das dritte Luxusgut, der Fernseher heimsuchte. Das vierte kam sprichwörtlich gleich darauf: Eine Fernsehleuchte mit Porzellanfuß und-kopf. Im gläsernen Mittelteil bewegte sich eine zähe rote Flüssigkeit aufwärts, um, oben angelangt, wieder nach unten zu bluppen. Die Langeweile, die von diesem Gerät ausging, hatte etwas Faszinierendes. Das dezent-stille Auf und Ab des roten Gewabers lenkte ab vom darunter stationierten Gelaber übers Hier und Heute. Die visuell dargestellte Borniertheit des scheinbar Wechselhaften erreicht den Menschen offensichtlich direkter als viele Worte. Darum nur noch ein Satz: Bevor nun die massenhafte Aussetzung von Fischen in die Satellitenschüsseln beginnt – kauft Fernsehleuchten, oder geht doch nach drüben!
Dora Hartmann
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