„Man muß schon was zu sagen haben“

■ Jazz in Bremen (4)/ Hainer Wörmann: Gitarren-Verfremder mit Zahnbürsten und Nagelfeilen, aber auch Motor der heimischen Improvisationen-Reihe der MIB

Hainer Wörmann ist zwar nicht der einzige Verursacher von schrillen, schrägen oder queren Tönen in Bremen, aber er stellt einiges an, um einen unüberhörbaren Beitrag zu leisten. Daß er seiner Gitarre auch wohlklingende Akkorde entlocken kann, wenn er will, hat er mit seinem Hainer Wörmann-Trio bewiesen. Mit diesem bot er Standards und an solchen orientierte Eigenkompositionen, ein wenig gegen den Strich gebürstet, was hier meint, daß konventionell swingende Gitarrenläufe sich manchmal ganz überraschend in trashige Hinterhofgefilde verliefen. Doch diese Episode ist seit Jahren vorbei, seitdem malträtiert er sein Instrument mit allen möglichen und einigen unmöglichen Gegenständen, um es möglichst nicht wie eine Gitarre klingen zu lassen. Neben Plastikfolie, Gummibändern, Wäscheklammern, Fahrradbremszügen und Keksdosendeckeln kommen Nagel- und Zahnbürste oder Feilen zum Einsatz. Entsprechend sieht Wörmanns Bühnenplatz auf den ersten Blick wie ein Stück gutsortierter Müllhaufen aus.

Nun sind diese Präparierungen und die Sounds und Geräusche, die Wörmann dadurch erreicht, nicht einfach der verzweifelte Versuch schrill zu sein, sondern passen sich in Wörmanns spezifischen Ansatz der freien Improvisation ein. Die mechanischen Verfremdungen entziehen sich oft einer vollständigen Berechenbarkeit ihrer klingenden Resultate, führen überraschend zu unerwarteten Klängen und eben dieses Moment von Unberechenbarkeit ist durchaus willkommen. Bringt es doch ein weiteres Moment von Spontaneität. Darum geht es Wörmann nicht nur im eigenen Spiel, sondern auch in der von ihm begründeten Improvisationen-Reihe der MIB. Jedesmal treffen Bremer MusikerInnen auf Gäste von außerhalb, die ähnliche Spielauffassungen vertreten.

Auf die Frage, wie angesichts dieses Anspruchs die meist spärlichen Besucherzahlen auf ihn wirken, antwortete Wörmann: “ Das ist ja kein ausschließliches Problem von improvisierter Musik. Jazz ganz allgemein hat nicht so'n großes Publikum. Wir machen das auch für die Musiker(innen) und für die Musik selbst. Wenn die –Improvisationen– nicht wären, gäbe es diese Musik nicht, ohne öffentliche Auftritte würde diese Art von Musik sterben. Viele Leute haben ja auch ein schiefes Bild von dem was freie Improvisation beinhaltet. Es ist ja nicht so, daß vier Leute auf die Bühne gehen und jeder macht, was er will. Es geht um die Art des Materials, die Sprachentwicklung des Instruments durch neue Spieltechniken. Leute, die mitspielen, müssen was zu sagen haben. Mein eigentliches Ziel ist, Eigenes mit dem der anderen zu verbinden, den eigenen Ausdruck in ein kollektives Geschehen einbringen.“

Aktuell versucht Wörmann, der vor seiner Hinwendung zum Jazz vor allem Blues und Politrock im Umfeld der Anti-AKW-Bewegung spielte, dies im Trio mit dem Oldenburger Schlagzeuger Hannes Clauss und dem Posaunisten Paul Hubweber (CHW-Trio) umzusetzen. Gerade ist die erste CD „Serendipity“ erschienen, auf der die drei Musiker den unterschiedlichsten Tönen, Klängen, Geräuschen, ihrem Verschmelzen und Auseinanderbrechen nachspüren und einmal mehr belegen welche Klangräume es auch außerhalb der festgelegten Wege zu entdecken gibt. Daneben sucht Wörmann schon seit längerem den Austausch auch mit anderen Kunstsparten wie Tanz und Film. So hat er in den letzten Jahren eine Reihe von Filmmusiken und Soundtracks für Experimentalfilme geschrieben, zuletzt für den neuen Film von Barbara Thiel. „Toute de suite“ heißt ein weiteres Wörmann-Projekt in dem TänzerInnen und Musiker sich improvisierend begegnen. Leben kann man von solcherart Kunst nicht, seine Brötchen verdient er sich als Asta-Sekretär an der Hochschule Bremen.

Arnaud