■ Das Portrait
: Bertie Ahern

Foto: AP

Der voraussichtliche neue irische Premierminister und ich haben dieselbe Stammkneipe. Seit Bertie – kein Mensch sagt „Mister Ahern“ zu ihm – vor ein paar Jahren von seiner Frau Miriam vor die Tür gesetzt wurde, steht er oft am Tresen des Norddubliner Pubs. Die Leute mögen ihn, weil er viel zu weite, zerknitterte Anzüge trägt und weil er als einziger Minister letzten Sommer seine Reise zur Fußballweltmeisterschaft in den USA aus eigener Tasche bezahlt hat.

Die erste Premier-Hürde nahm er am Samstag: Nach dem Rücktritt von Albert Reynolds wegen der umstrittenen Ernennung eines Richters wurde Ahern einstimmig zum Parteivorsitzenden von Fianna Fáil, den „Soldaten des Schicksals“, gewählt. In den nächsten Tagen wird er mit der Labour Party über die Fortsetzung der Regierungskoalition verhandeln. Mit 43 Jahren wäre Ahern dann der jüngste „Taoiseach“. Das Wort kommt aus dem Irischen und bedeutet „Häuptling“, wird aber mit „Premierminister“ übersetzt.

Ahern ist der erste urbane Fianna-Fáil-Vorsitzende. Seine Hochburgen findet die Partei, die sich 1926 von Sinn Féin und IRA abgespalten hat und das Land seitdem mit kurzen Unterbrechungen wie einen Familienbetrieb regiert, im bäuerlichen Irland. Für die absolute Mehrheit reicht das schon lange nicht mehr aus, deshalb liebäugelt man mit den WählerInnen in den Städten. Ahern scheint dafür der geeignete Mann: Er stammt aus einem heruntergekommenen Dubliner Innenstadtviertel mit hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalitätsrate. Daraus macht er kein Hehl: „You done de right thing“, sagte er nach seiner Wahl in grammatikalisch falschem Dubliner Slang. Ahern gilt als der „linke Flügel“ seiner eher rechten Partei, doch in sozialen Fragen ist auch er konservativ. Die Freigabe von Verhütungsmitteln verursachte ihm Bauchschmerzen. Von den anstehenden Gesetzen zu Scheidung und Abtreibung gar nicht zu reden.

Ahern studierte an der renommierten London School of Economics und arbeitete als Wirtschaftsprüfer, bevor er in die Politik ging. Sein Aufstieg war rasant: Mit 26 zog er ein ins Parlament, drei Jahre später war er schon stellvertretender Fraktionschef. Zunächst wurde er Dubliner Bürgermeister, dann Arbeitsminister und 1991 Finanzminister. Seit Samstag ist er stellvertretender Premierminister im provisorischen Kabinett – bis zur Wahl der neuen Regierung in dieser Woche. Dann steht vermutlich die nächste Beförderung ins Haus. Ralf Sotscheck