Die Tristesse des Möchtegerns

■ Der CDU-Flirt mit der GAL: Bürgerliche Mehrheiten sind ferner denn je Von Florian Marten

In Hamburg sinniert CDU-Blondschopf Ole von Beust laut über grüne Hilfe für eine zukünftige Ablösung der SPD. In Bonn adelte Wolfgang Schäuble die Bündnisgrünen zur regierungsfähigen Machtpartei. Nur taktische Spielereien? CDU-Insider schütteln da lächelnd den Kopf. Nein: Beim Buhlen um die grüne Gunst und auch bei der Debatte um die CDU-Frauenquote geht es der Union in Bonn wie in Hamburg ums Eingemachte, um wichtige Optionen für den Machterhalt.

Eine nüchterne Analyse der politischen Situation in Hamburg zeigt die Bedrängnis der CDU-Machtstrategen, die ohne Partner keine Chance auf Regierungsämter haben. Eine triste Brautschau: Da dämmert die FDP im Koma, eine Todgeweihte, die, sollte sie – unwahrscheinlich genug – jemals wieder erwachen, sofort zurück in die Arme der SPD eilen würde.

Oder die nicht erst seit dem Wegner-Sturz untergangsbedrohten Populisten der Statt-Partei. SPD-fixiert bis zum Abwinken, wie am Wochenende augenfällig demonstriert. Ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzusinnen, ob die im Gründungsrausch eingegangene Ehe mit der SPD vielleicht auch ein Grund für den steilen Sturz der „Wählervereinigung“ sein könnte, hüpften sämtliche sieben Abgeordneten auf Voscheraus Schoß.

Das Rechtsaußenlager ist zwar auf längere Sicht durchaus für bis zu 10 Bürgerschaftsprozente gut, bislang als Partnerin für die halbwegs hygienebewußte Hamburger CDU aber tabu. Kurz: Die jahrzehntelange Hoffnung auf eine bürgerliche Mehrheit in Hamburg ist trügerischer denn je.

Zum Glück gibt es Bonn. Wenn Hamburger Berufspolitiker der CDU nicht die Chance auf Jobs und Karriere in Bonn hätten, wären ihre Leben noch trister als bislang schon. Nur Bremen und einige wenige Ruhrgebiets-Metropolen überbieten aus Sicht der Christ-unierten die Unerquicklichkeiten des Hamburgers Pflasters. Während die CDU zwischen Ende der 70er und Ende der 80er Jahre fast in allen deutschen Metropolen die SPD wenigstens einmal in die Opposition jagen konnte, wackelte die Hamburger SPD zwar mehrfach, fiel aber, gnädig gestützt durch die FDP und zweimalige Nachwahlen (1982 und 1986), nicht um.

Nur zu den seligen Zeiten des Bürgerblocks von 1953 bis 1957 war der Senatstrog für die CDU erreichbar. Einzig CDU-Bürgermeisterkandidat Hartmut Perschau gelang es 1986 nach einem Wahlerfolg, der ihn – wenn auch hauchdünn – vor Dohnanyis SPD plaziert hatte, wenigstens einmal in Koalitionsverhandlungen einzutreten. Die verzweifelte Sehnsucht der CDU nach ein bisserl Machtbeteiligung schlug sich damals in einem unterwürfigen Koalitionsangebot der CDU nieder, Perschau wollte gar auf den Stadtchef-Job zu Gunsten Dohnanyis verzichten.

Die SPD, damals schon taktisch dirigiert von Henning Voscherau, ließ die Verhandlungen platzen. Zu gefährlich schien es einer Mehrheit aus linken Überzeugungsgenossen und rechten Pragmatikern, die CDU auf der Regierungsbank Maß nehmen zu lassen. Dohnanyi zwang das Stimmvieh ein zweites Mal an die Urne – die braven Wähler schenkten ihm den Wunschpartner FDP. Gleichwohl ging die CDU in Hamburg nie leer aus: So wie in Bonn die CDU auch den Sozis den einen oder anderen Job zukommen läßt, sicherte die SPD ihre Macht durch gezielte Einbindung und Versorgung einiger braver CDU-Mannen ab. Besonders rührend kümmerte sie sich jüngst um den Ex-CDU-Fraktionschef Rolf Kruse, dessen Altersverorgung nach Platzen des Diäten-Skandals nicht die verabredete Höhe erreichte. Heute füllt eine gutdotierte Stelle in der Hamburger Wirtschaftsbehörde sein Girokonto regelmäßig und standesgemäß auf – wofür, das ist in Hamburger Behörden ja nicht immer so wichtig.

Ole von Beust, smarte Nachwuchshoffnung der CDU, bringt seine noch immer vom Filz des Echternach-Clans und dessen Seilschaften durchseuchten Partei- und Parlamentsapparat (Dirk Fischer, Volker Rühe) ganz allmählich auf neuen Kurs. Dabei macht es ihm seine eigene Partei nicht gerade leicht: Neben der äußerst geringen Zahl von AktivistInnen – weniger arbeitswillige Berufspolitiker als bei den Bündnisgrünen – und der traditionellen Mißachtung durch die Wirtschaft, die sich in Hamburg immer direkt mit der SPD arrangierte, hat von Beust den Filz im Nacken: Geschäftsinteressen, Versorgungsposten und die traditionelle Interessenkoalition mit der SPD, oft auch als „stille Große Koalition“ apostrophiert, stehen einem profilierten Neuanfang im Weg. Fast schon putzig ist es zu beobachten, wie oft sich von Beust des OKs älterer und einflußreicher CDU-Mannen versichert, bevor er Akzente setzt und die SPD attackiert.

In dieser Situation erscheinen die erstarkten und selbstbewußten Grünen, welche sogar die Traute hatten, einen Koalitionsvertrag von Voscheraus Gnaden abzulehnen, geradezu als Hoffnungsträger, welche den alten Traum von der Ablösung der SPD doch noch möglich erscheinen lassen. Und, ein nicht unwichtiger Nebenaspekt: Techtelmechtel mit den Grünen können den Reformprozeß in der CDU beschleunigen und von Beust's Position stärken.

Zwar lösen die Grünen bei der Mehrzahl der Christunierten in Hamburg noch Schrecken aus – der allmähliche Generationswechsel hat den Kulturschock jedoch schon kräftig gemildert. Und in den kleinen strategischen Zirkeln der CDU wird bereits knochentrocken analysiert: Mit Reps, FDP oder Statt-Partei wird es nicht gehen und nicht reichen, die Große Koalition, von Handelskammer und vielen CDUlern noch immer favorisiert, ist in Hamburg eher aussichtlos, da die SPD sich statt dessen für Rot-Grün entscheiden würde. Kurz: Um überhaupt noch einige Karten beim Politpoker in der Hand zu haben, müssen die Grünen ins Kalkül.

Eine schwarz-grüne Ablösung der SPD, wie in einigen Revierstädten vorexerziert, wird es in Hamburg jedoch voraussichtlich auch 1997 nicht geben. Große Teile der Mitglieder und Wähler der Grünen würden, da ist sich die grüne Fraktionschefin Krista Sager sicher, „das niemals mitmachen, ganz abgesehen, ob es dafür überhaupt eine reale politische Grundlage gäbe“.

Die Grünen allerdings dürften, trotz einiger Unruhe bei einem Teil der Parteibasis, die einzigen wirklichen Gewinner der schwarzen Gunstbezeugungen sein. Das CDU-Prädikat „koalitionsfähig“ hilft beim künftigen Stimmenfang in Altenheimen, in Blankenese und in früheren FDP-Reservaten. Und, am wichtigsten vielleicht: Die Hamburger SPD kann sich ihrer Rolle als Braut, ohne die keine Regierung geschlossen werden kann, nicht mehr so sicher sein.