Vom Bremsen und Betrügen

BDI-Chef Tyll Necker versucht, mit einer Studie die Schädlichkeit einer ökologischen Steuerreform zu belegen / Das Gegengutachten verschwand im Sommer in der Schublade  ■ Von Thomas Worm

Berlin (taz) – Der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie, Tyll Necker, möchte kurz vor seinem Abgang als Bremsklotz in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Einer ökologischen Steuerreform in Deutschland erteilte der BDI-Chef eine Absage. Deutsche Energiesteuern würden die hiesige Industrie, die „nur 27 Prozent“ der gesamten Energie verbrauche, über Gebühr belasten.

Statt einem marktorientierten Lenkungsinstrument sieht Necker in der Öko-Steuer vor allem ein Mittel, mit dem der Staat seine leeren Kassen füllen will. Der oberste Industriefunktionär hierzulande zeigte dennoch ein wenig Scheinkonzilianz, indem er das St.-Nimmerleinstag-Argument benutzt: Wenn Energiesteuern, dann europaweit. Die Pläne zu einer kombinierten Energie-/CO2-Steuer innerhalb der Europäischen Union sind bisher am Hickhack um Sonderwünsche einzelner Mitgliedsstaaten gescheitert, allen voran Großbritannien und Frankreich.

Basis für Neckers zukunftsverweigerndes „No, no!“ ist eine BDI- Auftragsstudie des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). „Das mundgerechte Bremsgutachten“, als welches es bei Wirtschaftsforschungsinstituten gehandelt wird, bestreitet die Kernaussagen der bisher umfänglichsten Untersuchung zu den Auswirkungen von Energiesteuern, einer 300-Seiten-Studie des Deutschen Instituts für Wirtschafsforschung (DIW) in Berlin. So sei nach Ansicht der Kölner Ökonomen die Vorstellung unrealistisch, daß „eine ökologische Steuerreform zu mehr Beschäftigung führt“.

Das Berliner DIW hatte hingegen errechnet, daß deutsche Betriebe durch eine Verbilligung der Arbeit und Verteuerung der Energie nach zehn Jahren mindestens eine halbe Million mehr Leute beschäftigen würden. Auch eine Studie des Essener RWI im Auftrag der Ruhrgas AG hat „positive Arbeitsplatzeffekte“ bescheinigt. Der deutsche „Einstieg in die ökologische Planwirtschaft“, so hingegen das Angstszenario des Kölner Industrieinstituts, würde zu Bankrotten und Industrieabwanderung ins Ausland führen.

Willkommene und unliebsame Gutachten

Weniger die Behauptungen von Tyll Neckers jetzt vorgestelltem „Bremsgutachten“ sind bemerkenswert als vielmehr die Geschichte seines Zustandekommens. Bereits im Sommer hatte das Finanzwissenschaftliche Institut der Uni Köln ein Gutachten für den BDI erstellt – mit sehr unliebsamen Resultaten. Obwohl diesem Gutachten ein anderes Modell als beim Berliner DIW zugrunde lag, kam es zu ähnlichen Ergebnissen: Aus dem Projektteam verlautete bereits auf einem Sommersymposium der SPD, daß man vergleichbare Größenordnungen in bezug auf Arbeitsplatzeffekte, Energieverbrauchssenkungen und Emissionsreduktionen wie das DIW errechnet habe. Doch die BDI- Funktionäre nahmen vor den Bundestagswahlen das Gutachten, das der Opposition Munition geliefert und die Inhaltsleere der Unionspolitik offenbart hätte, unter Verschluß. Während die Veröffentlichung sehr zum Ärger von Projektleiter Dieter Ewringmann unter allen möglichen Vorwänden hinausgezögert wurde, leierten die BDI- Oberen eine neue Studie an: das mundgerechte IW-Gutachten.

Tyll Necker sollte besser auf Stimmungsmache mit Gefälligkeitsstudien verzichten, damit dann beim Poker um die künftige Energiesteuer Sonderkonditionen etwa für Chemie und Stahl herauskommen – Branchen, die als energiefressende Dinosaurier besonders betroffen wären. Statt dessen könnte er seinen mächtigen Lobbyapparat dazu einsetzen, daß die von ihm geforderte „aufkommensneutrale Kompensation“ per Gesetz verankert wird, also Firmen und Verbraucher ihre gezahlten Energiesteuern zurückerhalten und nicht damit die Löcher in den öffentlichen Kassen gestopft werden.