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UNO setzt Mafia unter Druck

■ Gestern eröffnete UNO-Generalsekretär Butros Ghali in Neapel die Weltkonferenz gegen die Organisierte Kriminalität. Manche Experten fürchten, daß die Veranstaltung den Syndikaten eher nützen als schaden könnte.

UNO setzt Mafia unter Druck

Der Auftrieb an Mächtigen und Beobachtern, an Fachleuten und auch an Kritikern übertrifft so ziemlich alles, was sich bisher außerhalb des UNO-Stammsitzes in New York abgespielt hat. Weder die Weltumweltkonferenz in Rio noch die Weltbevölkerungskonferenz in Kairo konnten überdies so viele Delegationen aufweisen, die nach eigenem Bekunden im Ziel einig und zum gemeinsamen Kampf wild entschlossen waren: Unter den wachsamen Augen von mehr als 2.000 Polizisten und gut tausend verdeckten Agenten haben sich in Neapel Vertreter aus 140 Nationen, mit drei leibhaftigen Staatschefs und einem Dutzend Regierungsvorstehern an der Spitze, mehr als 700 akkreditierten und nochmal sovielen dazugekommenen Reportern zusammengefunden, um drei Tage lang über eines der „brennendsten Probleme der Völkergemeinschaft“ zu diskutieren und gemeinsame Schritte einzuleiten. Es geht um „die Organsierte Kriminalität“, die „alle Gesellschaftssysteme in immer stärkerem Maße infiltriert und auch die nationale und internationale Politik vieler Staaten in besorgniserregendem Maße zu bestimmen begonnen hat“.

Gut gebrüllt. Freilich „etwas spät“, wie Giuseppe Ayala anmerkt, der im Großprozeß gegen die sizilianische Cosa Nostra die Anklage vertrat. Bereits vor zehn Jahren hatten seine mittlerweile ermordeten Kollegen Giovanni Falcone und Paolo Borsellino große internationale Konferenzen gefordert, schon damals zeichnete sich die Zersetzung insbesondere der demokratischen Staaten durch ein immer kompakteres Amalgam „nicht mehr nur aus regionalen Mafia-Banden, sondern auch aus Zirkeln der Hochfinanz und internationalen Schiebersyndikaten“ ab (Falcone). Damals, so Ayala, „hätte man mit viel mehr Aussicht der Ausbreitung dieser Erscheinung entgegenwirken können – heute stehen die Ermittler mit dem Rücken an der Wand, erdrückt von einer bereits zur Überzahl gewordenen Macht des Untergrunds, zusätzlich geschwächt durch Sparmaßnahmen im Gefolge von Wirtschaftskrisen“.

Falcones und Borsellinos Aufrufe jedenfalls verhallten noch zu Beginn der neunziger Jahre ungehört: Erst 1992, nach den Mafia- Morden an den beiden erfolgreichsten italienischen Fahndern, kam Schwung in die Sache. Auch auf der anderen Seite des Globus, in Südamerika, überstürzte sich die Entwicklung durch die immer unverhülltere Machtergreifung der Kokainkartelle. Als außerdem noch die GUS-Staaten hinzukamen, in denen die Verbrechersyndikate immer größeren Einfluß gewannen, wurde die nach Neapel einberufene Konferenz mit mehr Entschiedenheit vorbereitet. Off- records nennt ein deutscher LKA- Beamter ein weiteres Motiv: „Seit sich die Kartelle immer mehr mit Drohpotentialen ausstatten, die auch die Mächtigen und ihre Familien treffen würden – etwa die Erpressung mit Nuklearmaterial –, sind die Regierungen aufgewacht.“

Nun soll gar eine internationale Akademie zur Vorbereitung für den Kampf gegen Mafia und Triaden, Yakuza, Russenmafia und die Kartelle der Südamerikaner entstehen.

Italien, so Regierungssprecher Ferrara, fühlt sich bei alledem „endlich einmal nicht als zuspätgekommener Schüler“, sondern „erstmals auch ein wenig als Lehrmeister“: So viel Wissen wie hier habe sonst kaum jemand in der Welt über das staatszersetzende Organisierte Verbrechen gesammelt. Da freilich runzeln sich die Augenbrauen der amerikanischen Delegationsmitglieder erheblich: „Sicher“, sagt ein FBI-Abgesandter, „Falcone und Borsellino haben viel für den Kampf in Italien getan – doch das meiste haben sie von uns gelernt: Gerade das war ja ihr großes Verdienst.“ Zumindest im Vorfeld scheint sich also statt der Einigkeit eher ein Wettlauf um die größte Originalität zu entwickeln. „Höchst schwierig zu sagen, ob das alles nicht am Ende nur zu Unverbindlichem oder gar Kontraproduktivem führt“, rätselt der Schweizer Anwalt Paolo Bernasconi, der einst als Ermittlungsrichter die „Pizza Connection“ – eine auch vielen Cosa-Nostra-Chefs unbekannte Parallel-Drogenlinie zwischen Sizilien und New York mit Geldwäsche im Tessin – entdeckt hatte.

Seine Zweifel teilen inzwischen auch andere Experten. Insbesondere die „allzu offene Erörterung der Fahndungs- und Ermittlungsmethoden ist natürlich nicht nur für die Kollegen aus anderen Ländern interessant, sondern auch für die Mitglieder der Syndikate“, so der portugiesische Vize-Generalstaatsanwalt Costa bei der schon am Sonntag abgehaltenen Konferenz über die „Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft angesicht der Korruption und der Organisierten Kriminalität“. Ein hoher Beamter der italienischen Antimafia-Polizei DIA vermutet, durchaus nicht ironisch: „Die Gründung einer internationalen Zentralstelle für die Ausbildung von Ermittlern gegen die Organisierte Kriminalität ist durchaus im Sinne der Bandenchefs – so brauchen sie gar nicht mehr in den einzelnen Ländern nachgucken, was dort gegen sie getan wird, es genügt, den Zentralcomputer anzuzapfen.“

Von daher, fügt er – nun doch etwas ironisch – hinzu, „sind die gigantischen Sicherheitsvorkehrungen hier vielleicht völlig überflüssig – den Organisierten ist viel wichtiger, mitzubekommen, was hier abläuft, als daß sie irgend einen der Tagungsteilnehmer hoppnehmen möchten.“

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