Fünfte "capirt"

■ Semyon Bychkov in der Musikhalle

Zumindest für einen Abend haben die Hamburger ihn nun doch bekommen: Semyon Bychkov, von den Philharmonikern als Nachfolger Gerd Albrechts favorisiert, von der Kulturbehörde jedoch zugunsten Ingo Metzmachers abgelehnt, gastierte mit „seinem“ Orchestre de Paris in der Musikhalle. Mit Gustav Mahler und Maurice Ravel standen zwei Komponisten im Feld zwischen Romantik und Moderne auf dem Programm.

Ravels Konzert für Klavier und Orchester G-dur kontrastiert zwei rasche Sätze voll sprudelnder Energie mit einem langsamen Mittelsatz, der nach eigenen Angaben des Komponisten einem Larghetto Mozarts nachempfunden ist. Helene Grimaud meistert den höchst virtuosen Klavierpart souverän und voll mitreißender Dramatik. Ihr Spiel begeistert durch die Heraushebung der vollen Gegensätze zwischen lyrischen Momenten und jazzigen, schlagzeugartigen Stellen. Auf fast sperrige, spröde Art lotet sie rhythmische Raffinessen und Gegenläufigkeiten aus und verschafft dadurch dem Konzert eine besondere Spannung. Im Mittelsatz verhindert sie durch strenges Spiel das Absinken in glatte Nettigkeit. Dem Orchestre dagegen fehlte in den Ecksätzen manchmal Schärfe und Transparenz.

„Die Fünfte ist ein verfluchtes Werk. Niemand capirt (!) sie.“ Entgegen dieser Eigeneinschätzung Mahlers zu seiner 1904 uraufgeführten Symphonie feierte das Musikhallen-Publikum Bychkov begeistert. Dabei gelang es ihm anfangs nicht wirklich, die Spannung zu halten. In den ersten drei Sätzen liegen seine Stärken in wuchtigen, bombastischen, auch bedrohenden Stellen, in stürmischen Orchesterbögen, deren breitgefächerte Klangfülle beeindruckt. Auch die strahlend-kräftige Choralstelle des zweiten Satzes gehört zu den Höhepunkten. Ansonsten ist das musikalische Geschehen manchmal etwas dünn. Der seit Viscontis Tod in Venedig so berühmte ruhige vierte Satz, dieses innige Spiel von Harfe und Streichern, bewegt ebenso wie das fast heitere, später kraftvolle Rondo-Finale.

Niels Grevsen