Geldschwemme bei der Hochbahn

■ Vertrauliche Vorlage enthüllt: Kostendeckungsgrad steigt / Verkehrssenator Wagner will trotzdem sparen / Morgen Streik

Morgen stehen ab 4 Uhr früh fast alle Räder im öffentlichen Nahverkehrs Hamburgs still: Busse und Bahnen der Hamburger Hochbahn AG (HHA) werden bis etwa 7.30 Uhr durch einen Warnstreik lahmgelegt. Grund ist das derzeitige Angebot des HHA-Vorstandes, das in einer Kombination aus Lohnerhöhung, Arbeitszeitverlängerung und Abbau von Sozialleistungen auf eine echte „Nullrunde“ hinausläuft, wie die ÖTV meint.

Die Wut der HHA-Beschäftigten wäre wohl noch weit höher, würden sie schon wissen, mit welch rosigen Zahlen sich der Finanzausschuß der HHA am 30. November befassen darf. Das oberste Finanzgremium der HHA und der Aufsichtsratsvorsitzende Eugen Wagner, Bau- und Verkehrssenator, können sich über eine satte Reduzierung der Verluste freuen. In einer streng vertraulichen Vorlage, die der taz vorliegt, heißt es stolz: „Wir werden den für 1994 prognostizierten Verlust um 31,208 Millionen Mark unterschreiten können.“ Mit einem Minus von 344 Millionen Mark liegt die HHA damit fast 10 Prozent unter dem kalkulierten Zuschußbedarf.

Auch für 1995 sieht es rosig aus: Zwar soll das Defizit auf 355 Millionen Mark klettern, der Kostendeckungsgrad aber, wichtigste Kennziffer für die Ertragsfähigkeit eines ÖPNV-Unternehmens, klettert auf den deutschen Spitzenwert von 61 Prozent. Zum Vergleich: Für 1994 war ein Kostendeckungsgrad von 57 Prozent erwartet worden.

Die Gründe für diese unerwartet positive Entwicklung sind schnell gefunden: Die HHA, ein traditionell aufgeblähtes und umständlich organisiertes Unternehmen, hat sich in den vergangenen beiden Jahren erstmals um Rationalisierung gekümmert. Im Verein mit steigenden Fahrgastzahlen fiel die Entwicklung dann verständlich positiv aus.

Damit das auch in Zukunft auch so bleibt, sollen Fahrgäste und Beschäftigte bluten. Eugen Wagner kündigte gestern „Preiserhöhungen“, versprach aber gleichzeitig, die Leistungen einzuschränken. Die Vorlage für die Finanzsitzung der HHA am 30. 11. wird sogar noch deutlicher: „Die HHA hat im Päsidium des HVV gegen weitere leistungserhöhende Maßnahmen von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht“, heißt es da, und: „Weiteren Attraktivitätsanforderungen“ könne nicht entsprochen werden.

Auch das Ergebnis des laufenden Tarifstreits haben die HHA-Kalkulateure schon vorweg genommen: “Der zur Zeit verhandelte Tarifabschluß wird sich auch im Jahre 1995 ergebnisneutral auswirken“ – eine ungeschminkte Bestätigung des ÖTV-Vorwurfs von der geplanten „Nullrunde“. Doch Eugen Wagner blickt noch weiter in die Zukunft. Die bevorstehende Regionalisierung des Nahverkehrs ab Januar 1996 will Wagner zum Rundumschlag gegen das Umland nutzen. 50 Millionen Mark Zuschuß zum HVV statt bislang 4 Millionen will Wagner sehen, eine Summe, die Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Peer Steinbrück schon mehrfach öffentlich als „unvorstellbar“ diskreditierte.

Doch Wagner will die ÖPNV-Regionalisierung nicht, wie sonst überall geplant, für eine Nahverkehrsoffensive nutzen, sondern zum Geldverdienen: Weniger Linien, höhere Preise sowie Krach mit dem Umland und den Fahrgästen sind angesagt. Florian Marten