Yoooo, motherfucker! Open your eyes!

■ Frische Texte und fette Grooves gegen Rassismus: Wie HipHop ein Bremer Freizeitheim ziemlich verändert hat

Kein Gitarrengeplänkel? Kein blödes „Hey baby“? Wie es sich doch wohl geziemt, wenn im Übungsraum einer handelsüblichen Jugendfreizeiteinrichtung der Nachwuchs probt? Nicht hier. Die dicke Doppeltür im Freizi Findorff wummert im schwärzesten Groove; drinnen, im „Studio“, spult ein Bandgerät erlesen zusammengeklaute HipHop-Tracks ab. Und die Jungens rappen: „Yoooo, motherfucker, open your eyes“, und: „Nazis, we're coming!“ Die HipHop-Kiddies haben was zu sagen. Gegen Nazis, gegen die Schule sowieso, und gegen die Dummköpfe, die im Freizi Ärger machen.

Ärger nämlich gab's genug. Zwischen Jugendlichen aus ausländischen und deutschen Familien, zwischen dem Freizi und dem Rest von Findorff. Bis vor zwei Jahren die ersten HipHopper ins Haus kamen. Zum Breakdancen in der Disco; vor allem aber, um im Übungsraum, im bescheidenen, aber immerhin doch nützlich ausgerüstetem sog. „Studio“ unterm Dach zu texten, zu mixen und zu rappen – frei nach Schnauze, über alles, was den Jugendlichen eben so auf der Seele liegt. Das ist ansteckend. Dem Stammpublikum gefielen die fetten Beats und vor allem die frischen Texte. Seit der ersten großangelegten Jam im November –92 ist das Haus fest in Händen der fröhlich lärmenden HipHop-Community. Und siehe: Kein Ärger mehr.

Bei den Parties der B-Boys und –Girls „haben wir noch nie Randale gehabt“, sagt Jutta Schöpp, die dienstälteste Sozialarbeiterin. „Kreativität statt Kriminalität“, behauptet gar der jüngste ihrer Mitarbeiter. Mike muß es wissen: Seit über drei Jahren macht er sich selbst Luft, bei den Rappern von „CRIBB“. Und jetzt ist Mike Honorarkraft für HipHop. Mit seiner Attitüde (“Rap gegen Rassismus“) und seiner überzeugend coolen Präsenz ist er inzwischen selbst zum Idol vieler Freizi-Besucher geworden. Nun gibt er sein Wissen an die Next Generation weiter. Anleitung von pädagogischer Seite brauchen die Kids nicht. Sowas regelt die Community entweder in Eigenregie, oder gar nicht.

„ClickClickBoom“, plappert Engin ins Mikro und guckt dabei gefährlich aus dem Schlabberpulli. „ClickClickBoom“: das Geräusch einer Knarre, eines Granatwerfers oder was auch immer losgeht, wenn die Rapper gegen die Nazis wettern. Pauschale Wortgewitter mag Mike eigentlich nicht. Aber die „Little Mos“, die jungen Muslime Engin und Timur, sind ja noch am Anfang. „Wichtig ist deine eigene Attitüde“, sagt Mike gravitätisch über seine Auffassung von Hip-Hop. Sein Wort hat Gewicht. Engin und Timur fangen allmählich mit eigenen Texten an, zerbrechen die Köpfe darüber, was man den anderen 15jährigen so mitteilen könnte. Noch hilft Mike, die deutschen Ideen in sauberen Ami-Slang zu übersetzen. „Aber igendwann sollen die ja auch mal soweit sein, daß sie selbst überlegen.“

Dann ist auch Schluß mit ollen Sprüchen wie „Yoooo motherfucker“. Das könne doch nun wirklich „keiner mehr hören“, bescheinigt Mike den Mos. Und läßt doch Milde walten. Schon stoßen die Gebrüder Mos erneut ins Horn: „Wer gegen die Scheiß-Schule ist, sagt ,Yoooo'!“ Mike läßt das Band fahren, es rumpelt ein massiver Groove aus dem kleinen Freizi-Verstärker, und Engin und Timur lassen ihre Lieblingslitanei vom Stapel: „Every day's the same shit, that ain't cool/ man, I'm really tired of the school.“ Yo!

Drunten im Freizi, auf den Fluren, am Kicker und auch im Besprechungszimmer wummern die Bässe als entferntes Donnergrollen. Doch, klar, schon; die HipHopmusik könne sie noch ganz gut hören, sagt Jutta Schöpp. „Lieber als Tekkno!“ Die vormaligen Tecknodiscos im Freizi nämlich, die seien allen Mitarbeitern ziemlich auf die Nerven gegangen. Nicht nur wegen der Musik und ihrer penetranten Marschierrhythmen. Vor allem wegen der mulmigen Atmosphäre im Saal und im gesamten Haus und Umzu. Unüberschaubar, stressig, aufwendig. Dagegen die HipHopper, bei denen es nun „so friedlich läuft“. Auch – oder gerade – weil sie ihre Aggression in Musik, Texte, Graffitis verwandeln. Wenn man ihnen nur Freiraum gibt. „Und sie bringen inhaltlich was rüber; seit die hier im Haus sind, ist das eine unheimliche Bereicherung für uns.“ Aus den ausländerfeindlich eingestellten Deutschen unter den Stammgästen hat das freilich noch keine rundum aufgeschlossenen Multikultis gemacht. „Aber der Mike“, sagt Jutta Schöpp, „der ist ihr Freund.“

So rappen die Little Mos sich weiter den Frust aus dem Leib, und das Freizi hört zu. Jaja, und daß die Texte mal besser werden sollen, sehen sie schon ein. Qualität ist cool, und cool ist alles. Auch „an der Show müssen wir noch üben“, sagt Timur. Tanz! Akrobatik! Kostüme? „Daß ihr mir bloß nicht in Bettlaken antanzt“, mahnt Mike. Nein, tolle Capes sollen es sein. Wie bei Mike und CRIBB. Und bessere Grooves. Und ein neuer Name. „Little Mos werden auch mal größer.“ Dann bringen sie der nächsten Generation bei, wie man die Augen und den Mund aufmacht, und dabei schön cool bleibt. Thomas Wolff

Nächste Jam: Samstag, 26.11., 19 Uhr im „Jugendhaus Pumpelberg“, Osterholz (Am Pumpelberg 3) mit CRIBB, Little Mos, Cliff und F.A.B.