Nachschlag

■ Phillip Roth' Roman „Täuschung“ bei der Hörspielwoche

Im Buch des amerikanischen Schriftstellers Phillip Roth ist die Geschichte eigentlich klar: Die Frau eines Schriftstellers liest zufällig in den Aufzeichnungen ihres Mannes und erfährt auf diese Weise von dessen Verhältnis zu einer anderen. Zur Rede gestellt, behauptet der Autor, die Notizen seien nur Produkt seiner literarischen Phantasie. Die Frau und der Leser sind geneigt, ihm zu glauben. Zur Strafe folgt sogleich ein „wirkliches“ Telefongespräch mit der angeblich nur imaginierten Freundin. Damit hört das Verwirrspiel nicht auf. „Phillip“ heißt der Autor im Buch, ebenso wie der nun wirklich reale Autor. Roth arbeitet mit allen Mitteln aus der Hexenküche der Verwirrkunst und schürt die Erwartung, der Wahrheit ein Stück näher gekommen zu sein.

Joachim Staritz und Fredericke Roth haben aus dem Roman ein Hörspiel gemacht (SDR 1994), das auf der Hörspielwoche in der Akademie der Künste vorgestellt wurde. Es ist jedoch weniger die Geschichte eines Verwirrspiels geworden als die Beziehungsgeschichte zwei neurotisch gestörter Menschen: Phillip, der Schriftsteller, hat mit seiner jüdischen Identität zu kämpfen, mit der Tatsache, nicht zum Opfer geworden zu sein. Dennoch ist er der Stärkere, der Ruhepol für seine Frau, die ihrerseits keine Erfüllung in dieser Ehe findet. Reinstes RTL-Klischee, empört sich im nachhinein eine Zuhörerin. Freilich besteht bei der Hörspielbearbeitung die Gefahr, durch Textauswahl und Kürzungen den Eindruck zu vermitteln, es ginge Roth um eine triviales Rollenspiel. Die Regie hat jedoch durch die musikalische Untermalung mit Bruckner-Klängen an solchen Stellen, wo die Dialoge ins Triviale abzugleiten drohten, für eine ironische Brechung gesorgt und somit den Zusamenhang wiederhergestellt. Durch die dramaturgische Entscheidung, sich auf eines der zwei im Buch agierenden Paare zu beschränken, ist die Geschichte im Hörspiel geradliniger, aber auch ärmer geworden. Nicht, weil weniger erzählt würde, sondern weil das Erzählte aus dem schwebenden Zustand zwischen den verschiedenen Ebenen von Fiktionalität herausgelöst wird. Während im Buch vor allem das Erzählen bedeutungsam war, wird im Hörspiel die eigentlich etwas dürftige Geschichte wichtig. Übriggeblieben sind geistreiche, sehr unterhaltsame Dialoge. Nur das, was Roth zu erzählen hat, ist kaum so interessant wie die Art und Weise, wie er es erzählt. In dieser Hinsicht bietet das Hörspiel gegenüber dem Buch eine „Enttäuschung“. Peter Walther

Hörspielwoche in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, noch bis 26.11. Pro Abend werden zwei Hörspiele präsentiert.