Ein Käfig voller Närrinnen

■ Die ARD startet eine fünfteilige Almodvar-Reihe mit "High Heels": 23.05 Uhr

Alle Männer sind Frauen. Und die sind in den Filmen Pedro Almodóvars stets „am Rande des Nervenzusammenbruchs“. Weil sie soviel reden. Aber – und das ist das Entscheidende: nur am Rande. Almodóvars Filme beschreiben ein stabiles Gleichgewicht zwischen Irr- und Stumpfsinn, Perversion und Spießertum. Almodóvar beschreibt die Welt aus der Perspektive von Szenen und Mikrogesellschaften. Mit Ausnahme von „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ (am 21.12.) zeigt die ARD ab heute die hierzulande weniger bekannten Filme des 1949 geborenen Spaniers.

„Ich beginne nach Franco“, sagte Almodóvar einmal in einem Interview. Er wolle Filme machen, als hätte der „Generalissimo“ nie existiert. Dieses Geständnis bezeugt keinen Ahistorismus. Seine Negierung Francos beschreibt ein Lebensgefühl hysterischer Überdrehtheit, das in seinen Filmen deswegen so heftig ausbricht, weil es während der faschistischen Ära unterdrückt wurde.

Almodóvar arbeitet zumeist mit den gleichen Schauspielerinnen und Schauspielern. Was seinen Filmen eine gewisse familiäre Intimität verleiht, die jedoch im Verlauf der Handlungen völlig pulverisiert wird.

Der rote Faden, der durch Almodóvars „Labyrinth der Leidenschaften“ (am 30.11.) führt, läuft auf die totale Demontage bürgerlich-linear-familiärer Heterosexualität hinaus. Das erinnert nicht wenig an Rainer Werner Fassbinder und seinen filmischen Clan. Das Angebot, George Orwells „1984“ zu verfilmen, lehnte Fassbinder bekanntlich ab, weil die im Zentrum dieses Romans stehende heterosexuelle Zweierbeziehung für ihn kein Symbol der Hoffnung darstellte.

Im Gegensatz zu Fassbinder, der den gesellschaftlichen Hetero- Terror in schrillen Psychodramen entlarvte, gerät der Geschlechterkrieg bei Almodóvar stets zur heiter-bunten Farce. Vom Ablauf her betrachtet, lehnen sich Almodóvars Filme an amerikanische Kitsch-Melodramen der 60er Jahre an. Doch deren Moralkodex wird insofern auf den Kopf gestellt, als die geschlechtliche Identität von Almodóvars Protagonisten alles andere als gesichert ist.

In „High Heels“, mit dem die Reihe heute startet, kann ein Mann aus dem Käfig seiner bedrückenden bürgerlichen Existenz nur ausbrechen, indem er nachts als Transvestit auftritt. In „Womit habe ich das verdient“ (am 14.12.) wird eine Hausfrau von ihrem Mann und dessen kriminellen Söhnen auf sehr melodramatische Weise ausgebeutet. In „Kloster zum heiligen Wahnsinn“ (am 7.12.) wird eine attraktive Barsängerin zum Scheusal, nachdem sie die schüchternen Liebesbekenntnisse der koksenden Oberin zurückweist. In „Labyrinth der Leidenschaften“, Almodóvars Frühwerk von 1982, feiert das schwule Diktatorensöhnchen einer südamerikanischen Bananenrepublik mit einer Madrider Hardcore- Nymphomanin ein höchst seltsames Happy-End. Ihr Vater, ein melancholisch-zerstreuter Facharzt für Geschlechtsumwandlung (der sich hartnäckig weigert, mit einer korpulenten Psychoanalytikerin ins Bett zu steigen), kommt erst zu sich, als er am Ende mit seiner Tochter schläft und bemerkt, daß er das schon immer wollte. Anything goes, anything fucks.

Indem er die Rollenklischees mehrfach durcheinanderwirbelt wie Figuren auf einem Brettspiel, reduziert Almodóvar das Genre des Melodramas auf die bloße Form. Die Dramatik erscheint unendlich banal und künstlich, aber alle sind glücklich damit. Die großen Probleme des Lebens reduzieren sich auf Blähungen, Pickel und das Verwenden der falschen Schminke. Die Nachbarin der Hausfrau in „Womit habe ich das verdient?“ befriedigt ihre Drogensucht mit gewöhnlichen Konsumgütern. Almodóvar beschreibt eine sympathisch-überdrehte Welt ohne Machos, in der alle Männer Frauen (am Rande des Nervenzusammenbruchs) sind und eine permanente, dionysisch-rosarote Walpurgisnacht feiern. Nichts für Angelopoulus-Fans. Manfred Riepe