Pornos passen zur Politik

■ Enthüllungsskandale sind out: Der frühere Nacktauftritt der CSU- Politikerin Wöhrl sorgt nicht einmal in ihrer Partei für Aufregung

Berlin (taz) – Politik ist dem Porno verwandt, beides lebt von der Enthüllung. Zum Beispiel die der CSU-Bundestagsabgeordneten Dagmar Wöhrl, die im zarten Alter von 19 Jahren nur mit Schleier und weißen Strümpfen bekleidet durch einen Pornostreifen wehte. Der Titel des 1974 produzierten Filmchens: „Die Stoßburg – wenn nachts die Keuschheitsgürtel klappern“ (Herzog- Filmproduktion, München). Nach Genuß des Streifens, der zu später Stunde via Sat.1 zu sehen war, besann sich ein vermutlich männlicher Zuschauer auf seine moralischen Werte und gab der Skandalpresse einen Tip. Die bebilderte Titelgeschichte kam, nicht aber der Skandal.

„Lassen Sie sich nicht aus dem Konzept bringen, gehen Sie ihren Weg weiter. Ich stehe zu Ihnen“, telegrafierte CSU-Chef Waigel der enthüllten Rechtsanwältin mit Interessensschwerpunkt Wirtschaft und Finanzen. Wöhrl, ehemalige Miss Germany, nutzte die Gunst der Stunde, um ihr Image als wenig kompetente Politikerin aufzumotzen. „Ich bin stolz darauf, daß man es allem Anschein nach aufgegeben hat, mich auf fachlicher Ebene anzugreifen, sondern in die Kiste der Uralt-Geschichten greift.“ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Lieselott Blunck lobte sogar den früheren Nebenjob der heute 40jährigen: „Wenn es zur sexuellen Entkrampfung in den 70ern beigetragen hat, ist das doch okay.“

Die Zeit ist vorbei für solch kleinliche Enthüllungen. Ohnehin ist der Auftritt von Wöhrl harmlos neben den spektakulären Aktionen der italienischen Parlamentsabgeordneten und Pornodiva Ilona Staller alias Cicciolina. Sat.1 (Chefredakteur Politik ist CSU- Mitglied Heinz-Klaus Mertes) will den Film dennoch vorerst nicht mehr zeigen. Der eigentlich Leidtragende der Geschichte ist die Werner-Herzog-Filmproduktion in München, gleichnamig mit dem damaligen Porno-Hersteller. „Nein, wir haben nichts damit zu tun“, beschwört die Telefonistin. „Aber hier haben schon ungefähr 125 Leute angerufen, die den Streifen haben wollen.“ Barbara Dribbusch