Saubere Hände greifen nach Silvio Berlusconi

■ Finanzbeamte und Mitarbeiter bezeichnen Italiens Regierungschef als Mitwisser bei Bestechungsaktionen seiner Firmen / Staatsanwaltschaft ermittelt

Neapel (taz) – Ganz entspannt wirkte Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi nicht, als er gestern beim UNO-Kongreß „Transnationale Kriminalität“ in Neapel auftauchte. Er war bereits am frühen Morgen darüber informiert worden, daß die Staatsanwaltschaft Mailand Ermittlungen gegen ihn aufgenommen hat, weil Finanzbeamte und möglichweise auch seine eigenen Mitarbeiter (und sein Bruder Paolo) ihn als Mitwisser bei einer Bestechungsaktion einiger seiner Firmen anläßlich mehrerer Betriebsprüfungen bezeichnen. Insbesondere der Medienriese Mondadori und der Versicherungskonzern Mediolanum, beide der Superholding Fininvest Berlusconis zugehörig, sollen Finanzbeamten Summen in Höhe von umgerechnet mehreren hunderttausend Mark zugeschoben haben, um bestimmte Unregelmäßigkeiten zu vertuschen.

Hieß es zunächst, daß es sich möglicherweise nicht um ein formelles Verfahren, sondern nur um Recherchen über mutmaßliche Verwicklungen Berlusconis handele, kam kurz nach Mittag jedoch die formelle Bestätigung aus Mailand: die Sonderkommission „Mani pulite“ (Saubere Hände) hat „dem Ministerpräsidenten der Republik Italien, Silvio Berlusconi, einen Ermittlungsbescheid wegen des Verdachts der Beihilfe zur Korruption zugestellt“, so ein kurzes Kommuniqué. Sprachlos blieb da die Schar jener, die zunächst noch den Mund gespitzt und von der „x-ten Zeitungsente in dieser Hinsicht“ (so Regierungssprecher Ferrara) geredet oder ein „Das hättet ihr wohl gerne“-Gesicht aufgezogen hatten (wie der Chef der rechtsradikalen Nationalen Allianz, Gianfranco Fini).

Nur Berlusconis Parteifreundin Tiziana Majolo griff nach der Nachricht zugunsten ihres Herrn ein – und machte alles noch schlimmer: auch andere Staatsanwaltschaften seien dabei, Ermittlungsbescheide loszuschicken, verkündete sie, offenbar in der Meinung, wenn viele solcher Verfahren eingeleitet seien, werde das Volk eher an eine Verschwörung glauben. Statt dessen dementierten die angesprochenen Stellen trocken, und Berlusconis Anwälte beeilten sich klarzustellen, daß davon nichts bekannt sei.

Zum Rücktritt sieht Berlusconi gleichwohl keinen Anlaß. Er fühle sich unschuldig.

Neugierig ist Italien nun auf die Reaktion seiner Koalitionspartner Nationale Allianz und Liga Nord – beide hatten in der Vergangenheit, als sie noch in der Opposition waren, vehement den Rücktritt eines jeden gefordert, der, auch ohne jedes Urteil, in ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption verwickelt ist. Werner Raith