Sie sind einäugig. Manchmal haben sie aber auch zwei oder drei Augen, aus denen ab und zu eine Träne rollt. Es kann auch sein, daß ein Auge Lippen bekommt und zum Mund metamorphisiert, der sinnlich-neckisch mit seiner Zunge spielt. Fremd, fast außerirdisch sehen diese mit einfachen Strichen entworfenen Figuren aus.

Mariola Brillowska und Charles Kissing haben sie gezeichnet. Schon seit mehr als fünf Jahren stellen die beiden Hamburger Künstler und ehemaligen Lerchenfeld-Kommilitonen kurze Zeichentrickfilme her. Am Anfang stand der Comic. Diesen versuchten sie zu „vervollkommnen“, und so wurden die Comics per Film in Bewegung gesetzt.

In ihren Filmen entwerfen sie eindringliche Horrorszenarien des menschlichenZusammenlebens. Die Protagonistenbewegen sich in düsteren Zukunftswelten. Gefühlskalt und aggressiv gehen sie miteinander um: Ein Mann findet seinen Lebensinhalt bei einer Prostituierten. Er führt ihr den Haushalt, und sie gibt ihm Sex. Einmal Lecken wird mit einmal Geschirrspülen bezahlt. Eryk im Sexil heißt dieser Film.

Ein anderer, Grabowski, Haus des Lebens, erzählt von dem Platzmangel eines Friedhofes. Um die Leiche ihres Mannes unter die Erde zu bringen, schläft Lola mit dem Friedhofsvorsteher Grabowski. Ihr Sohn greift zu anderen Methoden. Er schickt dem korruptem Angestellten einen Drohbrief, dem er, um ihm mehr Aussagekraft zu geben, einen halb verwesten Finger seines Vaters beilegt. Als Antwort erhält er eine Hand, die Grabowski einer längst begrabenen Leiche abnahm – finstere Zukunftsvisionen oder Einblick in Abgründe der Realität?

Mit ihren flimmernden und in gedämpften Tönen gehaltenen Bildern erinnern die Filme an die Pionierzeit des Zeichentrick. Doch Brillowska, die nach ihrem Abitur Polen verließ, ist das Animieren von Zeichentrickfilmen nicht genug, sie arbeitet auch als Autorin. Zusammen mit ihren Filmen stellt sie am kommenden Samstag im Lichtmeß ihr neues Werk Telefonprosa in Form fiktiver Telefongespräche vor. Freier Avantgarde-Metal der Band Helgoland begleitet die Performance.

Martje Schulz

Lichtmeß, Gaußstraße 25, Samstag 21 Uhr