Spiegelgefechte und bunte Theorien

■ Das Literaturhaus veranstaltete eine fruchtlose Diskussion über TV und Politik

Bereits der Titel der Veranstaltung löste einiges Befremden aus. Teilten doch die Vortragenden in der Reihe Perspektiven metropolitaner Kultur, seien es die Stadt- und Architekturtheoretiker Richard Sennett oder Dieter Hoffmann-Axthelm, die Philosophen Lyotard oder Peter Sloterdjik oder der Kulturpragmatiker Jürgen Kolbe bisher alle die Rede vom Wandel einer städtischen Kultur, so wurde mit Der Berlusconi-Effekt oder die mediale Rechtfertigung der Welt doch ein außerhalb der Stadt liegendes Feld beackert. Auch daß zum ersten Mal nicht Einzelperspektiven vorgetragen wurden, sondern in das allgegenwärtige Debattieren eingestimmt werden sollte, läßt sich nicht recht nachvollziehen. Noch weniger aber erklärt sich die Zusammensetzung der Runde, die Dienstag im Literaturhaus talkte.

Mit dem Medienwissenschaftler Jochen Hörisch und dem Kulturphilosophen Thomas Macho auf der einen Seite und dem Politologen Günther Trautmann und seinem „volksnahen“ Adjudanten Gaston Salvatore auf der anderen trafen zwei Blickwinkel aufeinander, die sich partout nicht aufeinander einstellen wollten. Wo sich zwei entgegengesetzte Positionen auf dem heißen Stuhl des Fernsehens noch anfauchen, gerät dies auf dem „kalten“ wissenschaftlichen Schemel gern zum Spiegelgefecht um kulturelle Hegemonie. Sowohl die Geisteswissenschaftler „mit ihren bunten Theorien“ (Trautmann) wie die vermeintlich an der Realität orientierte Politologen-Garde beanspruchen alleinige Aussagemacht über Wirklichkeit.

Nur ja nicht vom Tellerrand des eigenen Denkraumes aufblicken, hieß die Devise. Noch nicht einmal auf die Ebene der Rede vermochte sich die beschlagene Runde zu einigen. Wo Hörisch die alten Polit-Strukturen durch Berlusconis Medienputschismus unterlaufen sieht, zeige der Medienfürst nach Trautmann gerade die Grenzen einer Telekratie auf. Denn Berlusconi sei zwar von seinen eigenen Fernsehsendern an die Macht gespült worden, beim alltäglichen Geschäft des Regierens wiegen aber noch immer die alten Diskurse wie Demonstrationen und Gespräche schwerer.

Wer nun im gut gefüllten Saal meinte, es würde sich daraus eine Diskussion entspinnen, sah sich getäuscht. Stattdessen kramten Trautmann und Salvatore, der sich nicht entblödete zu behaupten, der Mensch reagiere mit oder ohne Fernsehen ohnehin nach dem gleichen Schema, immer kleinteiligere Histörchen aus Italien hervor, während die Allianz der Kultur das Übel an der Wurzel packen wollte.

So stellte Thomas Macho immer wieder die bange Frage, was außer den Medien unsere heterogene Gesellschaft denn noch zusammenhalten könne? Die Zeiten seien vorbei, in denen die öffentlich-rechtlichen Sender Gesprächsstoff für alle sozialen Schichten lieferten und damit eine soziale Klammer schufen. Intellektuelle Monologe jedenfalls werden die Gesellschaft nicht in die Umarmung treiben.

Volker Marquardt