Daheim leben die Leut'

■ Ein kurzer Film über das Altern: „Fünf Fotos“ von Barbara Thiel/ Premiere im Kino 46

Was hat das Kino schon alles aus den Alten gemacht: putzige Tattergreise, zerbrochene Helden, gern auch pfiffige Kerlchen, die den vermeintlich agileren Jungen so manches Schnippchen schlagen. Und leidvolle Gestalten, deren Körper und Seele manche gutgemeinte Dokumentation lang und qualvoll mit der Kamera ausgeweidet hat. Nichts davon trifft auf Frau Meyer zu. Sie wackelt halt so durch ihr Leben, d.h. ihre Kneipe; schenkt „den Alten“ im Dorfe Weizen aus, auch „den Jungen, so ab 60“; sinniert mit den anderen Rentiers am Stammtisch und lebt so vor sich hin.

Frau Meyer ist eine von fünf Momentaufnahmen gewidmet, aus denen die Bremer Filmemacherin Barbara Thiel ihren Dokumentarfilm „Fünf Fotos“ montiert hat. Fünf Bilder aus dem ganz normalen und völlig merkwürdigen Menschenleben. Nur kurz belichtet Thiel den Alltag der Alten. Im Vordergrund die Personen, dahinter die Wohnungen und das ganze Sammelsurium angejahrter Dinge. Detail für Detail reiht Thiel all die Häkeldeckchen und Tapetenzipfel, die abgewetzten Türklinken und herumlungernden Käsebrote aneinander. Kein malerisches Elend wird hier inszeniert – es riecht halt ein wenig streng in diesen Bildern, aber so ist das eben.

Den Alten selbst hingegen bleibt Thiel auf Distanz. „Was soll ich denn deren Körper hervorzerren,“ sagt sie. Wenn Frau Meyer durch ihre Schänke tapert, dann trottet ihr die Kamera in gemessenem Abstand nach. Und Frau Fischer, die Kleinbäuerin aus Liebe, kehrt uns eher die Schulter und den alten Rücken zu, wenn sie ihre hundert Hasen mit Grünzeugs versorgt.

So bekommt man als Betrachter das Gefühl, nicht so richtig an die Alten ranzukommen. Genau das macht die Ehrlichkeit dieses Films aus. Mit dem hehren Anspruch, hier ein umfassendes Porträt dieser Persönlichkeiten facettenreich auszumalen, hat Thiel ihre Dokumentation erst gar nicht belastet. Sehr viel mehr als die Oberfläche der Alten, und ihrer direkten Umgebung, kann und will der Film nicht zeigen.

Thiel dosiert ihre Dokumente sehr sparsam, rückt hier eine alte Zeitung, dort ein Lächeln heraus. Aber das tut sie sehr treffsicher. Und so entsteht zwischen den Bildern eine Atmosphäre, die eine Ahnung davon vermittelt, wie der Alltag dieser Alten wirklich ist. In all seiner Dumpfheit: die Blicke aus dem Fenster ins Grüne, das man nur noch im Rollstuhl betreten kann; die endlosen Nachmittage in der Guten Stube, während die Wanduhr ohrenbetäubend tickt und tickt. Aber auch in seinen lichten Momenten: der Klönschnack am Stammtisch eben, den Frau Meyer genauso genießt wie die Kundschaft. „Die Alten wissen ja sonst auch nicht, wohin.“ Also macht sie weiter.

Thiel gaukelt uns keine spektakulären Bilder heroisch agierender Greise vor; ihre knappe, genaue, manchmal lakonische Schilderung nimmt die Alten und ihr Leben ernst. Und rettet so ein Stück davon auch für den Film. Thomas Wolff

Uraufführung: Samstag, 26.11., um 18 Uhr im Kino 46, Waller Heerstraße 46