Nachschlag

■ Von Plato bis Nato – Alain de Botton las seinen Liebesroman

Ein junger Mann hat sich in eine junge Frau verliebt und darüber einen Roman geschrieben, in dem man nach dem hierzulande beliebten Satz „Ich stellte mir vor“ vergeblich suchen wird. Man darf also mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, daß es sich um keinen deutschen Autor handelt. Er heißt Alain de Botton, wurde in Zürich geboren, lebt in London und las am Dienstag abend aus der deutschen Übersetzung seines Buches „Versuch über die Liebe“ in der Amerika Gedenkbibliothek vor. Kurz, dieser „Versuch“ ist gelungen, und wer immer noch nicht den Unterschied zwischen reflektierter Liebe und zerredeter „Beziehungskiste“ kennt, der sollte diesen Roman schleunigst lesen. Der Autor war 21 Jahre alt, als er ihn schrieb, und mischte in seine Love Story kräftig Nietzsche, Camus und Marx (Graucho, nicht Karl). Alain de Botton ist kein blasser Bildungshuber, sondern ein fröhlicher Plünderer im Garten der Weltliteratur.

Nach der heißen Liebesnacht gibt's englisches Frühstück, und der Ich-Erzähler bemerkt angesichts soviel Bacon and Eggs, Juice and Toast höchst erfreut: „In der Nacht öffnete sie mir ihren Körper, am Morgen ihre Küche.“ Und keiner und keine schrie „Macho“. Ganz geheuer aber war dem Publikum dann doch nicht, was dieser sympathische Mensch da vorn in einem gleichermaßen schwyzerdütsch und Cambridge-English akzentuierten Deutsch da vortrug.

„Sie zitieren da dauernd andere Schriftsteller, manchmal wandeln Sie das auch um, das hab' ich nämlich bemerkt, ja. Aber Sie waren doch noch so jung, als Sie das Buch geschrieben haben, wie konnten Sie da schon soviel gelesen haben?“ „Ich habe in der Tat ganz wenig gelesen. Aber was ich gelesen habe, habe ich auch gleich in das Buch mit reingenommen. So viel ist es gar nicht, ich wollte ja keine Geschichte der Liebe von Plato bis Nato schreiben.“ Ein anderer Leser: „Wie stehen Sie zu Übersetzungen aus dem Original?“ „Oh, da muß ich jetzt vorsichtig sein, der Sohn meines Übersetzers ist nämlich hier.“ „Doch nicht nur Ihr Buch. Ich meine es, na ja, grundsätzlich.“ „Ich denke, man gibt sich immer Mühe, oder?“ Der Autor lacht. Eine andere deutsche Seele möchte wissen: „Warum haben Sie das Buch eigentlich geschrieben? Hatten Sie gerade Liebeskummer?“

„Ach ja: Jetzt muß ich sagen, daß ich damals furchtbar einsam war, auf dem Land herumlief und so meinen Roman zustande brachte. Leider stimmt es nicht.“ Alain de Botton lacht noch immer. Und das Publikum stimmt dann schließlich doch zaghaft ins heilsame Gelächter ein. Marko Martin