Umfrisierter Mr. Sandman

■ Auf einer schwulen Achterbahn der Gefühle: The Flirtations, Vokal-Quartett aus New Yorks Greenwich Village, singen sich durch das Leben in den achtziger Jahren

Sie scheinen direkt dem Bilderbuch der politcal correctness entsprungen: multikulturell, offen, schwul und politisch aktiv. Dabei machen die vier Männer der New Yorker Gruppe The Flirtations nichts Besonderes, sie singen. Einfach so, ohne Band oder großes Orchester, dafür mit viel Vergnügen und einer Begeisterung, die ansteckt.

Angefangen haben die Flirtations 1988 in der New Yorker Schwulenhochburg Greenwich Village, und damals war noch Michael Callen dabei, der vor einem Jahr an Aids gestorben ist. Ihr Programm ist geprägt von der Atmosphäre eines schwulen Lebens in den achtziger Jahren, da gehören Coming-out-Erinnerungen dazu und erste Erfahrungen mit Schwulendiskriminierung, die Auseinandersetzungen mit den Heteros und der Einbruch von Aids. Dabei sind ihre Songs fast alle geklaut, meist Pop-Standards der fünfziger und sechziger Jahre, die aber neu arrangiert wurden und textlich umfrisiert auf den schwulen Gehalt: Aus „she“ wird „he“ und aus „her“ wird „him“. So einfach kann es gehen, und „Mr. Sandman“ wird angerufen, er möge doch mal einen süßen Jungen vorbeischicken.

Mit dem Shelley-Fabares-Hit „Johnny Angel“ erinnert sich Sänger Cliff Townsend an eine alte Highschool-Liebe, „Wir sind im Krieg“, heißt es in einem anderen Lied und meint den Kampf der Schwulen in der Aidskrise. Mit „So much in love“ setzt Aurelio Font seiner lesbischen Großtante in Puerto Rico ein Denkmal, und in „The homecoming queens got a gun“ träumen die vier davon, sich einmal an all jenen zu rächen, die ihnen das Leben schwer gemacht haben, als sie noch Teenager waren und ein bißchen anders als die anderen. Songs von den Beatles sind ebenso im Repertoire wie die der Beach Boys oder von Sam Cook und Babi Siffre.

So geht es kreuz und quer, und das Programm wird zur wahren Achterbahn der Gefühle. Da möchte man quietschen vor Vergnügen, wenn die Heteros im Publikum ihr Fett abkriegen mit kleinen Seitenhieben und könnte gleich losheulen darauf, wenn an einen schwulen Freund erinnert wird, der gestorben ist an den Folgen von Aids. Das ist so richtig amerikanisch, und nicht umsonst heißt der beliebteste Song des Quartetts „Everything is possible“: „Du kannst sein, was du willst / Du kannst lieben, wen du willst / Und das einzige, was zählt von deinen Worten und Taten / Ist die Liebe, die du hinterläßt, wenn du nicht mehr da bist.“

Das kommt an, vor allem in den USA. Schon haben sie den inneren Bereich der schwulen Gemeinde verlassen und ihre Auftritte absolviert in vielen Radio- und TV- Shows. In der Carnegie Hall waren sie ebenso zu hören wie in dem Aidsfilm „Philadelphia“. Und an ihrer Mission halten sie fest: „Wir wollen diese Welt lebenswert machen für Lesben, Schwule und Bisexuelle. Und wir wollen jeder einen Mann fürs Leben finden.“ Elmar Kraushaar

The Flirtations spielen zur Eröffnung der Plakatausstellung um 20 Uhr im Restaurant „Blumhagen“.