Mißhandlung „macht keinen Sinn“

■ Freispruch für Busfahrer, der Iraner mißhandelt haben soll

Überraschend wurde gestern ein 44jähriger Busfahrer vom Amtsgericht Tiergarten vom Vorwurf der Mißhandlung eines Iraners freigesprochen. Er war beschuldigt worden, Weihnachten 1992 den 34jährigen Habib J. an der Endhaltestelle des Busses 227 grundlos geschlagen zu haben. Anschließend hatten auch herbeigerufene Polizisten den Iraner mißhandelt. Der Fall hatte im Frühjahr 1993 eine Lawine ins Rollen gebracht, nachdem das ZDF darüber berichtete. Die Staatsanwältin Gruner, die zehntausend Mark Geldstrafe forderte, und der Nebenkläger Ehrig wollen Berufung einlegen.

Das Gericht schenkte im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft den Schilderungen des Iraners und der Zeugin Hannelore B. keinen Glauben. Die Amstsrichterin zweifelte selbst daran, ob die Zeugin überhaupt am Tatort gewesen sei. Sie begründete ihr Urteil damit, daß „es keinen Sinn macht“, daß der Busfahrer, der kein Skin und nicht vorbestraft sei, Habib J. geschlagen haben soll. „Die Geschichte des Angeklagten ist wahrscheinlicher“, sagte sie. Der gestern nicht erschienene Busfahrer hatte behauptet, den eingeschlafenen Habib J. etwas an den Beinen gerüttelt zu haben, woraufhin ihm dieser die Brille runtergeschlagen hätte. Habib J. und die Zeugin hatten dagegen geschildert, daß der Angeklagte den Kopf des Iraners in die Hände genommen und mehrmals gegen die Scheibe geschlagen habe. Danach habe der Busfahrer die Polizei gerufen und Habib J. beschuldigt, ihn angegriffen zu haben. Im September waren drei der beteiligten Polizisten, die den Iraner nach Angaben der Zeugin schlugen und „wie ein totes Stück Vieh“ abtransportiert hatten, wegen Körperverletzung im Amt zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Der damalige Amtsrichter hatte die Aussagen der Zeugin in vollem Umfang für glaubwürdig gehalten. Er fand diese auch darin bestätigt, daß sie den Studentenausweis des Iraners mitten auf der Fahrbahn gefunden hatte. Dort habe er nur hingelangt sein können, wenn die Polizisten den Mann tatsächlich über die Straße zum Funkwagen brachten. Die Polizisten hatten dagegen behauptet, der Funkwagen habe direkt neben der Vordertür des BVG-Busses gestanden. Sie hätten Habib J. lediglich leicht am Unterarm gepackt und ihm den Kopf etwas nach unten gedrückt, damit er sich nicht an der Tür des Funkwagens stoße. Barbara Bollwahn