Treuherzig wie ein ertappter Schüler

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi reagiert auf den Ermittlungsbescheid schwach und konfus / Die Opposition gibt sich noch nachsichtig – erst Haushaltsdebatte, dann Rücktritt  ■ Aus Rom Werner Raith

Mit einer auf Videokassette aufgezeichneten Erklärung von sieben Minuten Dauer hat Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, 58, auf die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Beihilfe zur Korruption reagiert – konfus, wie selbst seine Vertrauten registrierten.

Unfähig, sich der Presse direkt zu stellen und seine Position zu klären, suchte er mit einer in seinem Amtssitz in Rom angefertigten Aufzeichnung den „verheerenden Eindruck“ (La Voce) zu mindern, den die seit Wochen erwartete Zustellung des Ermittlungsbescheides bewirkt hat, die nun auch noch mitten in den UN-Gipfel zum Organisierten Verbrechen in Neapel hereinplatzte: Ein weiterer steiler Absturz der Lira (deutsche Banken zahlten teilweise nur noch 88 Pfennig für 1.000 Lire) und ein massiver Einbruch in den Aktienhandel waren die Folge.

Doch ein weiteres Mal mißlang Berlusconi sein „Telepathie-Versuch“ (il manifesto): Statt wie vom Volk erwartet nun die Vorwürfe zu entkräften und klipp und klar zu sagen, wer in seiner Superholding Fininvest die – inzwischen auch von seinen eigenen Managern und seinem Bruder zugegebenen – Bestechungen von staatlichen Revisoren zu verantworten hat, polterte er gegen „die Infamie dieser Ermittlung“, versicherte, er werde nur nach einem ausdrücklichen Mißtrauensvotum des Parlaments zurücktreten und trug zur Sache selbst nur mit einem Satz bei: „Ich habe niemanden korrumpiert.“

Mit jeder Geste zeigt er, wie geschwächt er ist

Statt dessen erklärte Berlusconi unvermittelt, plötzlich nun doch mit den Gewerkschaften – die aus Protest gegen das Haushaltsgesetz für den 2. Dezember erneut zum Generalstreik aufgerufen haben – über die umstrittene Rentenreform verhandeln zu wollen, was er bisher stets abgelehnt hatte. „Verheerend, verheerend“, murmelte ein hoher Funktionär von Forza Italia im Pressezentrum der UN- Konferenz, „statt Vorwärtsverteidigung zeigt er mit jeder Geste, wie geschwächt er politisch ist.“

Dazu trug freilich auch die Körpersprache Berlusconis bei: verkrampft treuherziger Augenaufschlag, wenn er über sich sprach – „wie ein ertappter Schüler“, bemerkte in der Rundfunkdebatte „Radio anch'io“ ein Teilnehmer – und dann wieder in markantem Gegensatz dazu entspannt, wenn er auf andere Felder wechselte.

Die Regierungskoalition sucht inzwischen noch Zusammenhalt zu demonstrieren – allen voran die Neofaschisten: Sie wollen angesichts ihrer traditionell guten Beziehungen zur Mailänder Antikorruptions-Staatsanwaltschaft nicht, wie schon im Sommer einmal, in den Ruch kommen, sie selbst steckten hinter dem Manöver der Ermittler, um Berlusconi zu schwächen und bei Neuwahlen seine Klientel zu beerben. Stärker auf Distanz die Liga Nord – sie möchte, so ihr Führer Umberto Bossi, zunächst die für diese Woche anstehende Haushaltsdebatte des Senats abwarten und „erst dann weitersehen“.

Auf diese Linie hat sich offenbar auch der Großteil der Opposition festgelegt: Zwar fordern Linksdemokraten und Volkspartei den Rücktritt Berlusconis, wollen ihm aber dafür ebenfalls noch Zeit bis nach der Verabschiedung des Haushalts gewähren. Lediglich die Rifundazione comunista, die Grünen und die Mitglieder der Antimafiabewegung „La Rete“ drängen auf sofortigen Rücktritt.